Woher kommen die verbotenen FCKW-Emissionen?

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Die Antwort darauf liefern neue Untersuchungen eines internationalen Forscherteams mit Beteiligung der Empa, die heute in der renommierten Fachzeitschrift «Nature» veröffentlicht wurden.

Vogelgezwitscher rund ums Haus. (Symbolbild)
Vogelgezwitscher rund ums Haus. (Symbolbild) - Keystone

Demnach ist der Ausstoss des weltweit verbotenen Fluorchlorkohlenwasserstoffs FCKW-11 im Osten Chinas seit 2013 um rund 7'000 Tonnen jährlich angestiegen.

Die jüngsten Ergebnisse folgen auf eine Untersuchung aus dem Jahr 2018, die gezeigt hatte, dass die Emissionen dieser enorm Ozon-schädigenden Substanz (wieder) am Steigen sind. Dieses überraschende Resultat zeigte sowohl Forschern als auch politischen Entscheidungsträgern weltweit, dass irgendjemand irgendwo Tausende von Tonnen dieser Substanz produziert und emittiert – trotz eines weltweiten Verbots seit 2010 im Rahmen des «Montreal Protocol» .

«Durch globale Überwachungsnetzwerke wie das «Advanced Global Atmospheric Gases Experiment» (AGAGE, siehe Kasten) und die «National Oceanic and Atmospheric Administration Global Monitoring Division» (NOAA GMD) führen Wissenschaftler seit über 40 Jahren Messungen von FCKW in der Atmosphäre durch», so Matt Rigby, einer der Hauptautoren der neuen Studie von der «University of Bristol». In den letzten Jahrzehnten sei vor allem dank das «Montreal Protocol» ein Rückgang der FCKW-Emissionen zu beobachten gewesen. «Daher kam es für uns völlig unerwartet, als im vergangenen Jahr berichtet wurde, dass ab etwa 2013 die globalen Emissionen eines der wichtigsten FCKW plötzlich wieder zu wachsen begannen.»

Ein durchaus beunruhigender Befund, sind doch FCKW die Hauptverantwortlichen für den Abbau der stratosphärischen Ozonschicht, die uns vor der ultravioletten (UV) Strahlung der Sonne schützt. Ein Anstieg der FCKW-Emissionen verzögert die Erholung der Ozonschicht und des antarktischen Ozonlochs. Aber woher kamen diese neuen Emissionen? Zunächst hatten die Forscher lediglich Hinweise darauf, dass zumindest ein Teil der Emissionen irgendwo aus Ostasien stammt.

Verdächtige «Spitzen» in der Luftverschmutzung

Um eine Emissionsquelle lokalisieren zu können, sind Luftmessungen in der Nähe von Industrieregionen erforderlich. In diesem Fall kam der erste Hinweis auf die Herkunft der neuen FCKW-11-Emissionen von zwei Messstationen in Ostasien. Sunyoung Park, Hauptautor der Studie von der «Kyungpook National University» in Südkorea, der die Gosan-Messstation auf der Insel Jeju im Süden der koreanischen Halbinsel leitet, erklärt: «Derartige Messungen zeigen immer dann Spitzenwerte in der Luftverschmutzung, wenn die Luftmassen aus Industriegebieten stammen. Für FCKW-11 stellten wir fest, dass diese «Spitzen» nach 2012 deutlich höher waren als vorher, was darauf hindeutet, dass die entsprechenden Emissionen irgendwo innerhalb der Region angestiegen sein müssen.» Ähnlich hohe Signale meldete auch die japanische Messstation des «National Institute of Environmental Science» auf der Insel Hateruma bei Taiwan.

Um festzustellen, welche Länder für die steigenden Schadstoffwerte verantwortlich sind, führte ein internationales Team von 13 Forschungsinstitutionen – darunter neben der Empa die «University of Bristol», die südkoreanische «Kyungpook National University», das «UK Met Office», die «Scripps Institution of Oceanography» und das «Massachusetts Institute of Technology» (MIT) – komplexe Computerberechnungen durch. «Diese Zusammenarbeit zwischen den weltweit führenden Gruppen auf diesem Gebiet zeigt auf beeindruckende Weise, wie man unbekannte oder gar verbotene Emissionen identifizieren kann, indem man kontinuierliche Umweltmessungen mit atmosphärischer Computermodellierung kombiniert», erklärt Empa-Forscher Stephan Henne, Mitautor der Studie. Die rätselhaften FCKW-11-Emissionen liessen sich so eindeutig auf den Osten Chinas zurückführen. Die Forscher mussten sich für ihre Analysen indes auf Messungen aus Gosan, einer Insel vor der Küste Südkoreas, stützen, da die Verwendung chinesischer Messdaten noch stark eingeschränkt sei, so Henne. Grosse Teile der Welt noch unüberwacht

Während die neue Studie nun zwar einen erheblichen Teil des neuerlichen Anstiegs der globalen FCKW-11-Emissionen identifiziert hat, ist es gemäss den Forschern durchaus möglich, dass auch andere Länder oder andere Teile Chinas zusätzliche Anstiege verursacht haben könnten. «Unsere Messungen sind nur für den nordöstlichen Teil Chinas, West-Japan und die koreanische Halbinsel empfindlich genug; der Rest des AGAGE-Netzwerks (siehe Kasten) sieht Teile von Nordamerika, Europa und Südaustralien», erklärt Sunyoung Park. «Es gibt also weite Teile der Welt, für die wir nur sehr wenige Informationen über die Emissionen von Ozon-abbauenden Stoffen haben.»

Dennoch stellt diese Studie «einen wichtigen und besonders für die Politik relevanten Meilenstein in der Fähigkeit von Atmosphärenwissenschaftlern dar zu sagen, welche Regionen Ozon-abbauende Substanzen, Treibhausgase oder andere Chemikalien in welchen Mengen emittieren», sagt Ray Weiss, Geochemiker am «Scripps Institution of Oceanography» in San Diego und Mitautor der Studie.

Schaumstoffherstellung als Hauptverdächtiger

Frühere Berichte der «Environmental Investigation Agency» und der «New York Times» hatten darauf hingewiesen, dass chinesische Schaumstoffhersteller selbst nach dem weltweiten Verbot noch FCKW-11 verwendeten; die chinesischen Behörden haben inzwischen einige illegale Produktionsanlagen identifiziert und geschlossen. Obwohl die aktuelle «Nature»-Studie keine Aussagen dazu machen kann, welche Industriebranche(n) für die FCKW-11-Emissionen verantwortlich sind, so liefert sie doch klare Beweise für deren Herkunft aus dem Osten Chinas. «Es ist nahezu sicher, dass diese FCKW-11-Emissionen gegen das «Montreal Protocol» verstossen, das die emissive Verwendung dieser Substanz verbietet», sagt Empa-Forscher Stefan Reimann, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. «Vermutlich entstehen die Emissionen der Herstellung von Schaumstoffen, bei der ein erheblicher Teil der Substanz nicht im Schaum verbleibt, sondern unmittelbar in die Atmosphäre entweicht.» Genau diese Anwendung von FCKW-11 ist gemäss «Montreal Protocol» seit 2010 weltweit verboten.

Um weitere Emissionen verbotener Substanzen zu identifizieren, schlägt der Empa-Forscher vor, das globale Messnetz auf regionaler und lokaler Ebene weiter auszubauen, vor allem in und um industrialisierte Regionen. «Ein solches Netzwerk wird nicht nur für die Erkennung verbotener Ozon-abbauender Gase wie FCKW-11 enorm wertvoll sein, sondern auch für die Überprüfung der offiziell gemeldeten nationalen Treibhausgasemissionen», so Reimann. Tatsächlich unterstützt die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) derzeit das «Integrated Global Greenhouse Gas Information System» (IG3IS). Diese Initiative und andere, ähnliche Massnahmen sollen zusätzliches Vertrauen zwischen den Unterzeichnerstaaten des Pariser Übereinkommens schaffen, um die Emissionen von Treibhausgasen und deren Auswirkungen auf den Klimawandel zu begrenzen.

Das «Montreal Protocol» und AGAGE Das «Montreal Protocol», das 1987 unterzeichnet wurde und 1989 in Kraft trat, ist eine internationale Vereinbarung zum Schutz der Ozonschicht, die die Erde vor UV-Strahlung schützt. Es wurde inzwischen von 196 Ländern und der EU ratifiziert und ist damit der erste universell ratifizierte Vertrag in der Geschichte der Vereinten Nationen. Das «Advanced Global Atmospheric Gases Experiment» (AGAGE) wurde 1990 gegründet, aus Vorgängerprogramme welche bis 1978 zurückreichen. Ein Konsortium von elf Forschungszentren aus der ganzen Welt führt Messungen von mehr als 50 Substanzen durch, die durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre gelangen und zur Erwärmung des Planeten und/oder zum Abbau seiner Ozonschicht beitragen.

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