In Winterthur beginnt der Wärmering-Prozess
Am Winterthurer Bezirksgericht startet heute Montag der Wärmering-Prozess, der 2016 den damaligen Grünen Stadtrat Matthias Gfeller sein Amt kostete.
Der frühere Stadtwerk-Direktor Markus Sägesser ist wegen Urkundenfälschung im Amt und ungetreuer Amtsführung angeklagt, der frühere Finanzchef wegen Urkundenfälschung im Amt.
Die Staatsanwaltschaft beantragt für beide Beschuldigten bedinge Geldstrafen. Für Sägesser eine von 180 Tagessätzen zu 120 Franken, für den Finanzchef eine solche von 120 Tagessätzen zu 200 Franken, beide mit einer Probezeit von zwei Jahren.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, das Energieunternehmen Wärme Frauenfeld AG mit kreativer Buchführung finanziell besser dargestellt zu haben, als dies in Wahrheit der Fall gewesen sei. Stadtwerk war mit 200'000 Franken an Thurgauer Wärmeprojekt beteiligt, ein Konkurs sollte deshalb abgewendet werden.
Die ehemaligen Kaderleute sollen eine Forderung an die Wärme Frauenfeld über 2,4 Millionen Franken für Wärmepumpen deshalb nicht der Kostenstelle «Energie-Contracting» verbucht haben, sondern bei der «Direktion Stadtwerk».
Verstoss gegen die Rechnungslegungsnorm
Der Fehlbetrag wurde also nicht dem Thurgauer Projekt belastet, sondern auf viele Stadtwerk-Bereiche verteilt und somit versteckt. Dies verletzte gemäss Anklage aber die Rechnungslegungsnormen und war somit illegal.
Zudem habe der damalige Stadtwerk-Chef Sägesser die Sponsoring-Regeln von Stadtwerk verletzt. Er hatte eingewilligt, dass Stadtwerk einen 12-jährigen Mountainbiker mit 6000 Franken unterstützte. Als Gegenleistung gab der Jugendliche interessierten Stadtwerk-Mitarbeitenden einen Fahrtechnik-Kurs.
Der Jugendliche war zufälligerweise der Sohn des damaligen Leiters des Energie-Contractings. Stadtwerk unterstützt gemäss Sponsoring-Richtlinien aber keine Einzelpersonen. Sägesser hat sich gemäss Anklage «für einen Mitarbeiter und dessen Familie willkürlich über die Regeln hinweggesetzt».
Sägesser bezeichnete sich in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» als «Bauernopfer». Er und der damalige Finanzchef hätten die spezielle Verbuchung keineswegs alleine im stillen Kämmerlein vorgenommen. Die Jahresrechnung sei wie üblich mit dem Departementsvorsteher und der Finanzkontrolle besprochen worden.
Verfahren gegen den ehemaligen Stadtrat Gfeller eingestellt
Auch gegen den damaligen Departementsvorsteher, den Grünen Stadtrat Matthias Gfeller, leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren ein. Gfeller gab 2016 schliesslich seinen Rücktritt bekannt, wurde durch eine Untersuchung aber offiziell entlastet. Die Staatsanwaltschaft stellte ihr Verfahren gegen Gfeller daraufhin ein.
Die Wärme Frauenfeld AG beschäftigt zwar noch die Justiz, ist als Unternehmen aber seit 2018 Geschichte. Der Wärmeverbund wurde aufgelöst und in die Werkbetriebe Frauenfeld integriert.
Die Stadt Winterthur zog sich aus dem Betrieb zurück und verlor dabei 1,4 Millionen Franken. Zudem musste die Stadt ihren Aktienkapitalanteil von 200'000 Franken abschreiben. Damit sich ein Debakel wie die Wärmering-Affäre nicht wiederholt, erliess der Stadtrat inzwischen neue Richtlinien zu Beteiligungen.