Steigende Krankenkassenprämien: Ist das Hausarztmodell die Lösung?
Gegen steigende Krankenkassenprämien könnte die freie Arztwahl eingeschränkt werden. Doch nicht alle befürworten die Hausarzt-Sparmodelle.
Die Krankenkassenprämien steigen auch im nächsten Jahr. Die Entwicklung ist von Kanton zu Kanton zwar unterschiedlich und ist beispielsweise in Zürich gar rückläufig. Dennoch zahlt die Bevölkerung im schweizweiten Durchschnitt 0,5 Prozent mehr.
Die Prognose sieht für die kommenden Jahre nicht anders aus. Dem entgegenwirken sollen Kostensenkungen im Medizinalbereich.
Ein Weg dafür wäre, die freie Arztwahl einzuschränken und eine «Erstberatungsstelle» – bei den meisten Patienten der Hausarzt – aufzusuchen, wie es das neueste Paket des Departements von SP-Bundesrat Alain Berset vorsieht, so die «Neue Zürcher Zeitung». Dies, weil die Arzt- und Abklärungskosten einen substanziellen Teil der Gesundheitskosten ausmachen.
Wie aus von dem BAG in Auftrag gegebenen Studien hervorgeht, verdienen Hausärzte deutlich weniger als Spezialärzte. So kostet die Krankenkasse eine Konsultation oder eine Notfallkonsultation beim Hausarzt weniger als beim Spezialisten.
Krankenkassenprämien durch Ärzte senken
Auf den ersten Blick klingt es also plausibel, so Kosten im Gesundheitssektor einzusparen und dadurch auch die Prämien zu senken.
Hans Baumann, Flugmediziner aus Bassersdorf und ehemaliger Hausarzt, sieht den Vorschlag genauer betrachtet allerdings mit kritischen Augen. «Diese fatalen Sparmodelle mit den Hausärzten gibt es schon seit Jahren und immer wieder in neuen Formen. Der Verdienst des Hausarztes wird nicht besser, höchstens die Arbeitszeit dessen wird zur 70-Stunden-Woche, die dann den Verdienst kompensieren kann.»
Der Berufszweig werde immer weniger lukrativ, was zu einem Mangel an Hausärzten führt, obwohl mit einem präferierten Hausarztmodell gleichzeitig die Nachfrage steigen sollte.
«Krankenkassenprämien sollen sich spezifisch nur durch die Akteure, nämlich die Ärzte, durch Minderbezahlung der Leistungen gesenkt werden; dies bei gleichbleibender Versorgungsqualität», schrieb der Mediziner bereits vor mehreren Jahren in einem Brief an den damaligen Bundesrat Didier Burkhalter.
Zentrum im Circle als Konkurrenz
Hinzu kommt die grosse Konkurrenz von neueren medizinischen Einrichtungen für bereits bestehende wie Hausärzte oder Medical Centers.
Als Beispiel nennt Hans Baumann das grosse Zentrum des Universitätsspitals Zürich, das nächste Woche im Circle beim Flughafen Kloten Eröffnung feiert.
«Die Vorgabe lautet, dort 1000 Patienten pro Tag zu behandeln.» Die geschätzt 50 Ärzte rund um den Flughafen würden je rund 30 Konsultationen pro Tag anbieten. Hochgerechnet entspreche dies 1500 Patienten.
Sollten 1000 davon stattdessen das Zentrum im Circle aufsuchen, blieben lediglich 500 Patienten übrig, die sich auf die 50 Ärzte verteilen würden.
All diese wollen neben den üblichen Konsultationen Notfälle behandeln, gleichzeitig wollen Notfallpatienten die bestmögliche technische Abklärung, die der Circle sicherlich bieten werde. «Damit ist ein Überleben der anderen lokalen medizinischen Akteure, so auch den Hausärzten kaum gegeben», so Hans Baumann weiter.
Für den Mediziner ist klar: Die Lösung für tiefere Gesundheitskosten liegt nicht darin, die freie Arztwahl einzuschränken.
Um vor allem einem Hausärztemangel entgegenzuwirken, müsse das Fachgebiet durch bessere finanzielle Anreize gestärkt werden.
«Den Akteuren, den Ärzten im Gesundheitswesen, nur mit Vorwürfen über Kostensteigerungen zu begegnen, zeigt, dass durch dieses anhaltende politische Mobbing kaum Ärzte für den Beruf des Grundversorgers gefunden wurden und auch in Zukunft nicht gefunden werden; der Hausarzt in seiner Form wird aussterben.»