313 Kontrollen: Das Küsnachter Pilz-Jahr im Rückblick

Total wurden 2020 in 313 Kontrollen 295,4 kg Pilze geprüft.

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Waldpilze in Bayern. - dpa/dpa/picture-alliance/Archiv

Die Öffnungszeiten 2020 blieben wie in den letzten Jahren gleich und bewährten sich. Nach den Sommerferien bis Mitte November war das Kontrolllokal an folgenden Tagen offiziell geöffnet: Dienstag und Donnerstag von 18.30 bis 19.30 Uhr, Samstag und Sonntag von 18 bis 19 Uhr.

Wie letztes Jahr konnten Sammler auch am Hausberg Pfannenstiel grössere Mengen an Pilzen für die Küche sammeln. Dadurch mussten die Kontrollzeiten vor allem an Wochenenden oft über eine Stunde verlängert werden, um den grossen Andrang an Pilzlern zu bewältigen.

Selbstverständlich wurden die Pandemieschutzmassnahmen von den Besuchern ausnahmslos eingehalten. Von den Menschen, die zu Corona-Zeiten ihre Freizeit vermehrt in der Natur verbrachten, entdeckten auch einige das Pilzsammeln. Manche von ihnen versuchten mit Pilz-Apps oder Pilzbüchern ihre gefundenen Pilze zu bestimmen.

Aber in der Natur können Pilze ganz anders aussehen, als auf Bildern oder Bildschirmen und das birgt Gefahren. Viele Speisepilze haben nämlich giftige Doppelgänger, die sich auf den ersten (Laien-)Blick kaum von geniessbaren Arten unterscheiden.

Eine Pilzsammlerin brachte es auf den Punkt: «Um vor der Pilzmahlzeit kein Stossgebet zum Himmel zu schicken, lasse ich beim geringsten Zweifel mein ganzes Sammelgut immer von einem Pilzkontrolleur prüfen.»

Pilze aus einem Rasen

Am Freitag, 24. April 2020, um 18 Uhr, wurde der Küsnachter Pilzkontrolleur und Spitaldiagnostiker Hans-Peter Neukom von einem besorgten Vater aus Herrliberg telefonisch kontaktiert. Er berichtete: Seine zweijährige Tochter habe aus dem Rasen Pilze in den Mund genommen und einen Teil davon wahrscheinlich auch geschluckt.

Zur Abklärung, um welche Art (vor allem Speise- oder Giftpilz) es sich dabei handle, habe ihm das Tox Info Suisse die Telefonnummer eines Pilzexperten aus der Region gegeben. Die Tochter zeige keine Symptome einer Vergiftung und sie sei zurzeit wohlauf.

Da es einige weitere dieser Pilze im Rasen hatte, wurde der Vater gebeten, Fotos über WhatsApp zu senden. Auf den guten Bildern konnte so rasch der essbare Nelken-Schwindling (Marasmius oreades) mit grosser Wahrscheinlichkeit bestimmt werden. Auch Pilzkontrolleur Jonas Brännhage bestätigte die Bestimmung.

Zudem wachse diese Pilzart ringförmig und das Gras sei dort auffallend dunkelgrün gefärbt, erzählte der Vater. Dies sind typische Merkmale für den Nelkenschwindling.

So konnte Entwarnung gegeben werden, auch darum, weil das Kleinkind, wenn überhaupt, nur einen kleinen Teil eines Pilzes gegessen hatte. Vorsichtshalber wies ihn der Pilzexperte Neukom an, seine Tochter zu beobachten und sich bei Bauchschmerzen, Erbrechen oder Durchfall unverzüglich an einen Arzt oder an das Tox Info Suisse zu wenden.

In zwei weiteren Fällen, am 12. Juni 2020 in Kilchberg (3,5 Jahre alter Junge) und am 13. Juni 2020 in Zürich (7 Monate altes Mädchen), handelte es sich nach der Bestimmung durch die Fotos, um den Heudüngerling (Panaeolina foenisecii) und einen Faserling (Psathyrella spec.). Beides sind ungeniessbare Pilze und ebenfalls im Rasen gewachsen. Auch in diesen beiden Fällen konnten die Eltern beruhigt werden. Ihre Kinder zeigten auch am nächsten Tag keine Vergiftungssymptome.

Morcheln und Trüffeln im eigenen Garten

Die Morchelernte im Frühjahr litt unter der Trockenheit – von Mitte März bis Ende April regnete es kaum im Kanton Zürich – und fiel gering aus. Als Glückspilzin erwies sich da eine Gartenbesitzerin, die in ihren Beeten auf Nadelrindenschnitzeln (Mulch) eine grössere Menge an Spitzmorcheln fand und diese von der Küsnachter Pilzkontrolle bestätigen liess.

Da Spitzmorcheln erfahrungsgemäss nur einmalig auf diesen bestimmten Holzschnitzeln wachsen, wolle sie auf das nächste Jahr hin den gleichen, aber frischen Mulch, in ihren Garten streuen. Vielleicht könne sie so im kommenden Frühjahr wieder Morcheln ernten.

Im August meldete sich ein Zolliker Hausbesitzer bei der Pilzkontrolle Küsnacht, der beim Rasenmähen in der Nähe einer Hainbuche schwarze Knollen gefunden habe. Er wollte nun wissen, ob es sich vielleicht um essbare Trüffeln handeln könnte.

Der Kontrolleur konnte dem Hausbesitzer dann bestätigen, dass es sich hier tatsächlich um die essbare Burgunder-Trüffel (Tuber aestivum) handelt. Zwei Tage später bedankte sich der glückliche Finder nochmals per Telefon und meinte: «Die im Rührei zubereiteten Trüffeln haben köstlich geschmeckt!»

6,5 Kilo schwere Krause Glucke

Wie schon in den letzten Jahren in der Region der Goldküste, konnten auch dieses Jahr bereits im Juni und Juli etwa Sommer-Steinpilze, Hexen-Röhrlinge, Frauen-Täublinge und vereinzelt Eierschwämme für die Küche gesammelt werden. Der August zeigte sich dann vor allem im Flachland arm an Pilzen. Umso erstaunlicher ist daher der Riesenfund, den zwei Fünftklässler vom Zollikerberg Mitte August auf der Pilzpirsch in Hinwil am Bachtel machten.

Der 6,5 Kilo schwere Fund, den sie in einer grossen Kartonschachtel zur Kontrolle brachten, entpuppte sich dann als Krause Glucke (Sparassis crispa). Ein solch grosser Fruchtkörper – und erst noch ein feiner Speisepilz – ist sicher kein alltäglicher Fund.

Die Krause Glucke, die in ihrer für einen Pilz seltsamen Form eher an eine Koralle erinnert, ist ein Wurzelparasit, der vor allem am Fusse von Föhren, seltener auch an Fichtenstrünken, wächst. Der Pilz gilt als Schädling, da er die Festigkeit des Kernholzes mindert. Weil er die weisse Cellulose abbaut und nur den braunen Holzstoff Lignin übriglässt, spricht man daher auch von Braunfäule.

5 Kilo giftige Röhrlinge aussortiert

Nach der Schonzeit im September ging es in den hiesigen Regionen erst richtig los. Zu dieser Zeit fiel besonders auf, dass Sammler neben Steinpilzen kiloweise essbare Hexen-Röhrlinge zum Prüfen vorlegten.

Auch neben den essbaren Röhrlingen gibt es gefährlich giftige Doppelgänger, die leicht verwechselt werden können. So wird der giftige Satans-Röhrling oft für einen Hexen-Röhrling gehalten, und der giftige Wurzelnde Bitter-Röhrling für einen Steinpilz. Aus den vorgelegten Pilzernten mussten dann auch gut fünf Kilo dieser giftigen Röhrlinge entfernt werden.

Aber auch andere gefährliche Giftpilze wie der Pantherpilz, Spitzschuppige Stachel-Schirmling, Riesenrötling, Fliegenpilz, Kahle Krempling, Grünblättrige Schwefelkopf, Gemeine Rettich-Helmling, verschiedene Risspilze, Hautköpfe und weisse Trichterlinge wurden aus dem Sammelgut aussortiert.

Total wurden 2020 in 313 Kontrollen 295,4 kg Pilze geprüft. Das sind 20 Kontrollen und 23,6 kg weniger als in der allerdings aussergewöhnlich guten letzten Saison.

Aus den Pilzernten 2020 wurden 37,9 kg ungeniessbare, 9,5 kg giftige und 0,2 kg tödlich giftige Pilze – darunter auch ein rund 50 Gramm schweres Exemplar eines Grünen Knollenblätterpilzes – aus den Sammelkörben entfernt.

Massenhaft Stäublinge und Nebelkappen

Ferner fiel auf, dass die Artenvielfalt an Pilzen an der Goldküste besonders im Oktober reich gewesen war. So zeigten die jung essbaren Birnen- und Flaschen-Stäublinge ihre Fruchtkörper in auffallend grösserer Anzahl als in den Jahren zuvor.

Weiter wurde das stellenweise massenhafte Vorkommen an Nebelkappen beobachtet. Von dieser bedingt essbaren Art sind über 15 Kilo kontrolliert und freigegeben worden.

Bedingt essbar heisst nämlich, dass die Pilze erst nach fünf bis zehn minütigem Abkochen und abgiessen des Kochwassers verzehrt werden dürfen. Vergisst man dies, drohen heftige Brechdurchfälle.

Warum aber in manchen Jahren gewisse Pilzarten in grossen Mengen erscheinen und in anderen Jahren fast ausbleiben, ist auch für Experten ein Rätsel. Pilze sind eben launische Lebewesen und bergen trotz stetiger Forschungsfortschritten noch viele Geheimnisse.

Noch am 28. November kontrollierten die Küsnachter Pilzexperten von einem Sammler essbare Herbst-Trompeten, Stockschwämmchen, Hallimasche und Kaffeebraune Gabeltrichterlinge von guter Qualität. Als Anfang Dezember auch in den hiesigen Regionen erstmals Schnee fiel, ging eine interessante Pilzsaison mit teilweise aussergewöhnlichen Funden für Sammlerinnen und Sammler zu Ende.

Die Küsnachter Pilz-Saison: Zahlen und Fakten

Pilzkontrolllokal: Gemeindehaus neben dem EW-Laden, Obere Dorfstr. 32, 8700 Küsnacht

Angeschlossene Gemeinden: Erlenbach, Herrliberg, Zollikon, Zumikon

Pilzkontrolleure: Hans-Peter Neukom, Jonas Brännhage und Anna Biro

Dauer der Kontrolle (erster und letzter Schein): 13.4. – 28.11.2020

Anzahl Scheine oder Pilzlisten total: 313

Anzahl Kontrollen mit ungeniessbaren Pilzen: 168

Anzahl Kontrollen mit Giftpilzen: 57

Anzahl Kontrollen mit tödlich giftigen Pilzen: 3

Gesamtmenge der kontrollierten Pilze: 295,4 kg

Speisepilze: 247,8 kg

Ungeniessbare Pilze: 37,9 kg

Giftpilze ohne tödlich giftige Arten: 9,5 kg

Tödlich giftige Pilzarten: Amanita phalloides und Lepiota spec. 0,2 kg

Getrocknete Pilzarten (Art und Gewicht): keine

Tiefgekühlte- und Konservenpilze (Art und Gew.): keine

Vergiftungsfälle (Pilzarten, Spital od. Arzt, Symptome, Anzahl Personen etc.): keine

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