«Die Initiative ist ein Angriff auf die Selbstbestimmung der Frau»
Anna Holm ist Präsidentin der JUSO Baselland und studiert Religions- und Genderwissenschaften. Auf Nau nimmt sie Stellung zum Verhüllungsverbot.

Am 7. März entscheidet die Schweizer Bevölkerung über das Verhüllungsverbot. Hatten Sie schon mal Kontakt mit einer aus religiösen Motiven verhüllten Person?
Ja, im Rahmen einer Arbeit habe ich einen Teil der Sommerferien in einem benediktinischen Frauenkloster verbracht und durfte dort teilweise den Alltag der Nonnen begleiten. Das freiwillige Bedecken des Körpers und der Haare hat mich anfangs befremdet, doch die Zeit im Kloster hat mir grossen Respekt vor diesen Frauen und ihrer Entscheidung, ihr Leben hinter Klostermauern zu verbringen, gelehrt. Das war meine intensivste, einprägsamste Begegnung mit religiöser Verhüllung.
Ist die Initiative nur ein Zeichen gegen islamischen Extremismus oder ein Symbol gegen die religiöse Unterdrückung von Frauen?
Weder noch. Extremismus bekämpft man nicht mit Kleidervorschriften in der Verfassung, sondern mit Rechtsstaatlichkeit und Offenheit. Und ein Zeichen für Gleichstellung ist die Initiative erst recht nicht, im Gegenteil. Sie ist ein direkter Angriff auf die Selbstbestimmung der Frau. Wie man sich kleiden möchte, ist eine persönliche Entscheidung. Das gilt es zu respektieren, auch wenn man selbst sich vielleicht gerne anders kleidet. Es zeugt von tiefer Frauenfeindlichkeit, einer Frau die Fähigkeit, für sich selbst zu entscheiden, abzusprechen und sie als passives, hilfloses Opfer darzustellen. Jemandem eine Kleidung aufzuzwingen, ist bereits unter geltendem Recht verboten. Und wenn eine Person tatsächlich zur Verschleierung gezwungen wird, treibt diese Initiative sie weiter in die Isolation.
Bezeichnend ist auch, dass die rechten Befürworter*innen der Initiative schon seit Jahrzehnten jeglichen Fortschritt in der Gleichstellung verhindern wollen. Dass man sich jetzt plötzlich als Retter der Frauen darstellen möchte, ist mehr als heuchlerisch.
Wie stehen Sie zum Verhüllungsverbot? Und was spricht in ihren Augen dafür respektiv dagegen?
Ich lehne das Verbot ganz klar ab. In der Schweiz leben 20 bis 30 Frauen die regelmässig eine Burka oder einen Nikab tragen. Die Notwendigkeit, das zu reglementieren, ist auf keinster Ebene gegeben. Die Vorstellung, dass eine Kleidervorschrift in die Verfassung geschrieben wird, ist im besten Fall absurd und widerspricht grundlegend einer freien, offenen Gesellschaft. Die Verhüllungs-Initiative ist reine Symbolpolitik und islamfeindliche Hetze.
Was würde eine Annahme respektive Ablehnung für die Region bedeuten?
Die Initiative normalisiert offene Islamfeindlichkeit und wirbt für Kontrolle über Frauenkörper. Dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen. Spannend sind auch die Beobachtungen der Soziologin und Dokumentarfilmerin Agnès De Féo als 2009 in Frankreich über ein Verschleierungsverbot diskutiert wurde. Die Diskussion habe eine radikalisierende Wirkung gehabt. Also genau das Gegenteil, was die Initianten behaupten, erreichen zu wollen. Die Initiative dient nur den rechten Hetzern und ihrer politischen Agenda. Ich stimme Nein am 7. März!
Zur Person:
Anna Holm ist Präsidentin der JUSO Baselland und studiert Religions- und Genderwissenschaften. Sie ist 22 Jahre alt und kommt aus Muttenz.