«Der Spatz im Kamin» in Locarno im Rennen um den Goldenen Leoparden

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Locarno,

«Der Spatz im Kamin» ist der Schweizer Film im Wettbewerb um den Goldenen Leoparden am Locarno Film Festival. Verantwortlich zeichnen die Brüder Zürcher.

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Das Locarno Film Festival im Jahr 2023. (Archivbild) - keystone

Das Werk «Der Spatz im Kamin» der Brüder Zürcher nimmt an dem Wettbewerb um den Goldenen Leoparden in Locarno teil. Gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sprechen sie über Kontraste und fliessende Grenzen im Film.

«Der Spatz im Kamin» ist ein kontrastreicher Film, der in einem idyllischen Haus im ländlichen Kanton Bern spielt. Thema sind der Prozess der Befreiung einer Mutter und eine Familie, in der der Familiensegen schief hängt.

Der Film erzählt davon vor dem Hintergrund eines Familienfestes, an dem zwei Schwestern aufeinandertreffen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Erinnerungen an die verstorbene Mutter stärken den Drang der einen Schwester Jule (Britta Hammelstein), gegen die andere, Karen (Maren Eggert), zu rebellieren.

Karen ist herrisch, wird von ihren drei Kindern gehasst. Im Verlauf der Geschichte befreit sie sich. Das Bild zu Beginn des Films, von einem Spatz, der im Schornstein des Hauses eingesperrt ist, dann befreit wird und die Flucht ergreift, nehme die persönliche Befreiung von Karen quasi vorweg, sagte Regisseur Ramon Zürcher.

«Der Spatz im Kamin» ist nach «Das merkwürdige Kätzchen» (2013) und «Das Mädchen und die Spinne» (2021) der dritte Teil der sogenannten «tierischen Trilogie» der beiden Brüder Ramon und Silvan Zürcher. Ramon ist Regisseur, Silvan Produzent. Seit 2017 arbeiten die Zwillingsbrüder in der gemeinsamen Produktionsfirma Zürcher Film zusammen.

«Tier-Trilogie» mit Fokus auf Menschen

«Das Konzept der Trilogie stand nicht von Anfang an fest, zuerst habe ich ‹Das merkwürdige Kätzchen› geschrieben und inszeniert, und als dieser fertig war, begann Silvan das Drehbuch für ‹Das Mädchen und die Spinne› zu schreiben, und ich begann mit ‹Der Spatz im Schornstein›», erzählte Ramon weiter.

Erst während des Schreibprozesses hätten die Brüder bemerkt, dass die drei Filme Gemeinsamkeiten haben. Daher die Entscheidung, eine Trilogie zu machen. «Es gibt wichtige formale Aspekte wie Statik und Bewegung», erklärt Roman. Dieser Kontrast zwischen Bewegung und Stillstand ist «schon im Plan, aber auch in der Entwicklung der Trilogie» vorhanden.

«Wir nennen es eine ‹Tier-Trilogie›, aber im Zentrum der drei Filme stehen Menschen, Beziehungen, insbesondere die Familie», fügt Produzent Silvan hinzu. Die Brüder konzentrieren sich vor allem auf die Schattenzonen dieser Beziehungen. «Die Tiere haben für uns keine symbolische Bedeutung, sondern sie öffnen ein Assoziationsfeld zu den Themen des Films», erklärt er.

Dabei sei «Der Spatz im Kamin» näher an der Bewegung als die beiden Vorgängerfilme. «Der Film ist wie eine Reise, die bei der Statik beginnt und zur Dynamik führt, nicht nur formal durch die Kamera, sondern auch durch das Drehbuch und die Psychologie der Figuren», sagte Silvan.

Dafür stehe ganz besonders Karens Befreiungsprozess, der nicht nur psychologisch stattfindet, sondern im übertragenen Sinn auch in der Geschichte wiedergegeben werde, mit der Reise von Karens Elternhaus zum Bauernhof im Wald, erklärte der Regisseur.

Statik und Bewegung sind nicht die einzigen Gegensätze im Film: «Die Konstruktion des gesamten Films basiert auf der Idee der Kontraste», so Ramon weiter. So wechselt etwa die Musik von leicht zu Technobeats oder Schatten im Haus kontrastiert die Helligkeit draussen.

Erstmals im Wettbewerb eines Festivals vertreten

«Ich wollte die Geschichte einer Verwandlung erzählen», so Ramon, der neben der Regie auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet. Gegen Ende des Films verwischen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit so sehr, dass es schwierig wird, zu erkennen, was der Realität in der Geschichte entspricht und was nicht. «Mir gefällt, dass die Realität fliessend wird», sagte Ramon.

Dafür steht besonders das idyllische Haus, das zugleich ein bedrückender Ort ist für schmerzhaften Erinnerungen, die nach und nach auftauchen. Der Vater der Schwestern hat dort Suizid begangen, Jule erinnert sich voller Hass an ihre Mutter – ein Hass, den ihre Schwester Karen von den eigenen Kindern erfährt. «Der Raum wird zu einem inneren Raum, der Karens Psychologie widerspiegelt», erklärte Ramon.

Etwas Fliessendes zeigt sich auch im Umgang der Brüder mit unterschiedlichen Genres: «Das Tolle ist, dass wir, wenn wir den Traum zeigen, etwas Abstraktes aus dem Horror, dem Krimi und psychedelische Spielereien verwenden können – eine Ästhetik, die dem Alptraum nahe kommt», sagte Ramon.

Für ihre Filme arbeiten die Brüder Zürcher eng zusammen und weisen sich dabei keine fixen Funktionen zu. «Bei den drei Filmen war es immer anders», sagte Ramon. Künstlerische Entscheidungen würden gemeinsam getroffen, «unabhängig von den Rollen, die wir haben». Dabei sei Silvan «der erste, der das Drehbuch liest und mir Feedback gibt» erzählte Ramon.

Mit «Der Spatz im Kamin» sind die beiden erstmals im Wettbewerb eines Festivals vertreten. Es sei «aufregend und eine grosse Freude, und natürlich sind wir auch nervös», räumte Ramon ein. Der Film ist einer von 17, die im internationalen Wettbewerb des 77. Locarno Film Festival um den Goldenen Leoparden konkurrieren. Es ist der einzige Schweizer Film in dieser Sektion. Darüber hinaus hat die Schweiz «Fogo do vento» der portugiesischen Regisseurin Marta Mateus und «Transamazonia» von Pia Marais koproduziert.

Das breite Publikum kann «Der Spatz im Kamin» ab 19. September sehen. Dann startet der Film in den Deutschschweizer Kinos.

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