Der Bestatter von Rapperswil-Jona hat seit Corona nicht mehr zu tun
Für den Bestatter Christian Büsser gibt es seit der Corona-Pandemie nicht mehr zu tun als sonst. In 30 Jahren hat er dafür genug andere extreme Fälle erlebt.
Nau.ch: Christian Büsser, wer sind Sie?
Ich heisse Christian Büsser und bin nebenamtlich seit 30 Jahren der einzige Bestatter von Rapperswil-Jona. Dieser Beruf hat vor mir mein Onkel ausgeübt und meine Töchter und mein Sohn haben mir auch schon geholfen.
Nau.ch: Bestattung – ein Familienunternehmen?
Könnte man sagen, aber davon leben kann man nicht. Ich habe noch einen Bauernhof. Da aussergewöhnliche Todesfälle oft zu ungewöhnlichen Zeiten sind, muss ein Bestatter zeitlich immer flexibel sein.
«Ich hatte bisher eine Person, die an Corona gestorben ist» – Christian Büsser, Bestatter in Rapperswil-Jona
Nau.ch: Wann hat ein Bestatter am meisten zu tun?
Das ist im Frühling und im Herbst – wenn das Laub kommt und wieder geht. Aber dieses Jahr war es nicht so. Die Leute denken, wir hätten wegen Corona viel Arbeit, aber es ist nicht mehr geworden.
Nau.ch: Seit März 2020 spüren Sie kein hoher Anstieg an Todesfällen?
Ich erlebe das pure Gegenteil. Ich hatte bisher eine Person, von der ich wusste, dass sie an Corona gestorben ist in Rapperswil-Jona.
Nau.ch: Um sich ein Bild zu machen: Mit wie vielen Todesfällen haben Sie zu tun in der Rosenstadt?
Das ist unterschiedlich. Ich würde sagen durchschnittlich 2 bis 2.5 pro Woche.
Nau.ch: Schlägt so ein Job nicht aufs Gemüt?
Das tönt vielleicht verrückt, aber mir macht das nichts aus. Ich hinterfrage den Tod nicht. Sonst wird man wahnsinnig. Schlaflose Nächte habe ich als Bestatter während der Arbeit – aber nicht danach.
Nau.ch: Gibt es kein Todesfall, der Ihnen immer noch in Erinnerung geblieben ist?
Wenn Sie mich so fragen, spielt sich natürlich schon ein Film vor mir ab, was alles passiert ist in den letzten Jahren. Aber das darf einem als Bestatter nichts ausmachen.
«Ich bin kein Mordermittler», Christian Büsser, Bestatter in Rapperswil-Jona
Nau.ch: Von welchem ungewöhnlichen Todesfall können Sie uns berichten?
Ich könnte Geschichten erzählen, die unter jede Kuhhaut gehen würden. Verrückte Fälle erlebt man immer. Verweste Körper oder Suizidfälle. Aber mehr sage ich nicht, egal wer fragt. Denn der einzige Austausch, den Bestatter haben, ist mit anderen Bestattern.
Nau.ch: Gibt es Fälle, wo Sie als Bestatter Nein sagen würden, die Person abzuholen?
Nein, ich habe schon meine Mutter eingesargt, mein Bruder und viele Verwandte und Bekannte. Wie würden die das empfinden, wenn ich das nicht für sie machen würde? Es ist eine ehrenvolle Aufgabe, Bestatter zu sein.
Nau.ch: Wie wird man als Bestatter wahrgenommen?
Seit der TV-Serie mit Mike Müller interessieren sich die Leute wieder mehr dafür. Aber im Endeffekt bleibt das ein Film und hat mit der Realität nichts zu tun.
Nau.ch: Wie sieht die Realität für einen Bestatter aus?
Ganz änderst, ich bin kein Mordermittler. Ich werde von der Polizei oder den Angehörigen informiert, dass jemand verstorben ist und fahre dann dorthin. Als Bestatter bin ich oft der ruhige Pol, weil die Angehörigen überfordert sind. Ich sage, wie es abläuft mit der Beerdigung, den verschiedenen Grab-Möglichkeiten oder dem Urnen-Verstreuen im Waldfriedhof. Entweder fahre ich danach zum Friedhof für die Aufbewahrung und Leichenwaschung oder direkt ins Krematorium in Rüti.
«Bauer bin ich, um abschalten zu können», Christian Büsser, Bestatter in Rapperswil-Jona
Nau.ch: Bestatter sind Sie im Nebenjob. Wie lebt der Bauer Christian Büsser?
Ich habe 25 Mutterkühe und knapp 40 Dammhirsche, einige Hühner, Gänse und Geissen – alles, was so zu einem Bauernhof gehört. Für mich ist dieser Beruf vor allem auch, um abschalten zu können.
Nau.ch: Wollten Sie zuerst Bestatter oder Bauer werden?
Als mein Onkel früher zu Besuch kam, der 50 Jahre lang Bestatter von Rapperswil und Jona war, hat mich das schon immer interessiert. So bin ich in das Ganze reingerutscht. Aber ursprünglich habe ich Bauer gelernt und dann als Bestatter Weiterbildungen gemacht.
Nau.ch: Zum Abschluss: Wie denken Sie über den Tod?
Das ist das Ende des Lebens. Vor dem Tod habe ich keine Angst – nur wie er sein könnte. Am liebsten wäre mir ein Herzinfarkt mit über 85 Jahren, bevor ich krank werde. Und dann ist die Schule aus.