Stadtpräsident: «Das politische System steckt in einer Krise»
Das Wichtigste in Kürze
- Stadtpräsident Martin Stöckling hat keinen Gegenkandidaten.
- Er möchte in der nächsten Amtszeit beim Verkehrsproblem entscheidend weiterkommen.
Nau.ch: Martin Stöckling, was für eine Note würden Sie sich für die ersten 4 Jahre als Stadtpräsident geben?
Martin Stöckling: Wir sind schlechter unterwegs als erwartet, aber besser als es in der Presse dargestellt wurde. Ich würde ich mir knapp eine 5 geben. Es gab Projekte, die nicht gut liefen, aber auch Grosse, die wir weitergebracht haben.
Nau.ch: Fangen wir damit an. Was lief gut in der Stadt?
Martin Stöckling: Das Projekt Schachen wird gerade in der Alterspflege ein Schlüsselprojekt darstellen. Wir sind auf der Zielgeraden und haben die notwendigen Entscheide getroffen – bis auf den, ob wir selber bauen oder mit Fremdinvestor. Ein anderer Punkt ist das Tunnelprojekt, wo wir mit der Stimmbürgerschaft in der nächsten Legislatur entscheidende Weichen stellen werden.
Nau.ch: Weiss man in vier Jahren endlich, ob der Tunnel kommt oder nicht?
Martin Stöckling: Ja, davon gehe ich aus. Setzt die Bevölkerung kein Zeichen dafür, wird das Thema ein für alle Mal vom Tisch sein.
Nau.ch: Mit wem als Bauchef wollen Sie den Tunnel bauen?
Martin Stöckling: (Lacht) Da werde ich selbstverständlich keine Aussage machen. Wichtig ist, dass sich der Stadtrat auch nach den Wahlen als Team versteht und nach aussen geeinigt auftritt. Diskussionen finden innerhalb des Gremiums statt. Das ist ein weiterer Punkt, dass wir keine Konflikte nach aussengetragen haben.
Nau.ch: Während Sie sagen, keine Konflikte kommuniziert, kritisieren andere, dass praktisch keine Kommunikation nach aussengetragen wurde.
Martin Stöckling: Das sehe ich nicht so und würde uns eine gute Note geben. Die Nachwahlbefragung zeigt, dass die Entscheide, welche wir nicht gewonnen haben, kein Resultat einer schlechten Kommunikation war. Das Projekt kam einfach nicht gut an bei der Bevölkerung. Wir sind heute transparenter als vor vier Jahren.
Nau.ch: Was sagen Sie zu den Stimmen, die das Vertrauen in den Stadtrat verloren haben?
Martin Stöckling: Der Stadtrat hat im Rahmen der Nachwahlbefragung auch Fragen gestellt, die gezielt das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik abgefragt haben. Dieses ist heute besser als bei der letzten Umfrage 2011. Wir haben in der Stadt Rapperswil-Jona keine Vertrauenskrise.
Nau.ch: Was sind Ihre 3 Top-Anliegen für die kommende Amtszeit?
Martin Stöckling: Wir müssen städtischer werden, den Lebensraum verdichten und gleichzeitig aufwerten. Zudem steckt das politische System in Rapperswil-Jona in einer Krise. Eine breite politische Meinungsbildung gibt es in dieser Stadt momentan nicht.
Nau.ch: Sie sprechen das Stadtparlament an?
Martin Stöckling: Das wäre eine Möglichkeit, obwohl ich vor sechs Jahren ein dezidierter Gegner war. Aber die Sache ist, wir brauchen starke Teilnehmer am politischen Prozess, um eine Diskussion hinzubringen. Das Parlament wäre sicher ein Weg, um die Meinungsbildung besser zu gestalten.
Nau.ch: Was hat Ihre Meinung geändert?
Martin Stöckling: Seit der Fusion wurde Rapperswil-Jona zur urbanen Stadt. Aber wir haben immer noch die dörfliche Struktur in Jona und die kleinstädtische in Rapperswil. Dabei sind wir grösser als Aarau oder Solothurn.
Wir spielen im Mittelfeld der Schweizer Städte, aber im Bewusstsein der Bevölkerung sind wir noch immer eine Kleinstadt und ländlich. Das muss Rapperswil-Jona überwinden. Denn viele offene Fragen, die wir aktuell zur Entwicklung und Grossprojekten haben, sind Geburtswehen einer Stadt.
Nau.ch: Kommen wir zu Aktuellem: Was hat die Stadt bei der Badi Lido falsch gemacht, dass der Bau nun nicht mehr weitergeht?
Martin Stöckling: Wir haben vermutlich die falschen Fragen gestellt, und uns insbesondere zu sehr auf Aussagen des Ressorts und der Architekten verlassen. Im Nachhinein ist man immer schlauer.
Nau.ch: Nach dem Projekt-Stopp brauchte es eine Petition, um das Lido zu öffnen.
Martin Stöckling: Das war ein zeitlicher Zufall. Wir waren gerade in Gesprächen mit dem Kantonschemiker, der uns zuerst kein grünes Licht für eine Öffnung gab. Gleichzeitig kam diese Petition.
Nau.ch: Was können Sie zur Klage der Stadt gegen Bruno Hug sagen, der nun vor Bundesgericht will?
Martin Stöckling: Ich darf hier nicht viel sagen, weil ich im Ausstand bin. Aber der Stadtrat hat den Entscheid zur Kenntnis genommen.
Nau.ch: Warum kandidieren Sie für eine zweite Amtszeit?
Martin Stöckling: Ich finde es nach wie vor einer der besten Jobs der Schweiz. Es ist zwar jeden Tag von Neuem harte Arbeit, aber mein Traumjob.
Nau.ch: Sind Sie froh, dass es keinen Gegenkandidaten gibt?
Martin Stöckling: Froh ist der falsche Ausdruck, denn ich frage mich, warum es keine Gegenkandidatur gab. Ich neige dazu, dass niemand anderes eine Chance gesehen hat. Es liegt meines Erachtens weniger daran, dass niemand diesen Job als Stadtpräsident in Rapperswil-Jona machen will.