David Kuratle: «Es ist spannend, mit Menschen unterwegs zu sein!»
David Kuratle ist Pfarrer in Meikirch und Paartherapeut. Er erzählt von den gegenwärtigen Chancen und Herausforderungen des kirchlichen und politischen Lebens.
Das Wichtigste in Kürze
- David Kuratle ist Pfarrer, sowie Familien- und Paartherapeut.
- Er lebt mit seiner Familie in Meikirch.
Herausforderungen des Wachstums
«Bei meiner Arbeit als Pfarrer gefällt mir in Meikirch vor allem der Bevölkerungsmix», erzählt David Kuratle. «Es gibt noch sehr ländliche Bevölkerung. Meikirch ist weit genug von Bern weg, um seinen dörflichen Charakter zu bewahren, so dass es zum Beispiel noch ein reges Vereinsleben gibt. Heute Morgen hätte ich fast das Postauto verpasst, weil eine Kuhherde auf dem Weg stand und nicht weichen wollte. Und dennoch ist man schnell in der Stadt. Das Urbane ist auch greifbar.»
Die heterogene Zusammensetzung der Bevölkerung führe aber auch zu Herausforderungen. «Wie fest darf man wachsen, wie fest muss man wachsen? Das gibt immer wieder Diskussionen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Einzonungen. Wenn du in Meikirch wohnst, dort dein Haus hast, deine Aussicht, dann möchtest du natürlich, dass das alles so bleibt. Man möchte das idyllische Dorfbild erhalten.»
Diese Schwierigkeit zeigt sich unter Anderem in der Lokalpolitik. «Lange wurde die Politik in Meikirch von der SVP dominiert. Das ist jetzt nicht mehr so, was zu gewissen Irritationen führt, wenn die angestammte Bevölkerung plötzlich merkt, dass jetzt auch Andere mitbestimmen.»
Zudem habe Meikirch eine kritische Grösse erreicht. «Ich weiss nicht, wie lange wir noch selbstständig sein können» sagt Kuratle. «Es gibt schon eine enge Zusammenarbeit mit Wohlen, Bremgarten und Kirchlindach, zum Beispiel im Sozialbereich, in der Jugendarbeit und in der Arbeit mit älteren Menschen. Und es wird auch schwieriger, Leute zu finden für die verschiedenen politischen Ämter.» Aber gerade die Nähe zwischen Politik und Bevölkerung sei wichtig, findet David Kuratle: «Ich hoffe schon, dass man das noch erhalten kann.»
Kirche im Umbruch
Das kirchliche Leben in Meikirch sei zwar eher traditionell geprägt, verrät der Pfarrer, «die traditionellen Angebote werden gut besucht. Aber man kann auch kreative, schräge Sachen machen. Die Akzeptanz für Verschiedenes ist gross.»
Die Gottesdienste würden durchaus besucht: «Es kommen immer Leute, die Kirche ist nie leer. Aber ich gehöre zu den Jüngeren» sagt er lachend. «Junge Familien haben wir wenige, ausser bei speziellen Anlässen. Die meisten Menschen kommen in die Kirche, wenn sie irgendwie beteiligt sind, wenn sie ein bestimmtes Interesse haben.»
Man experimentiere deshalb auch mit neuen Formaten. «Diese Jahr haben wir Gemeindeabende zum Thema ‚Glaube, Hoffnung, Liebe‘ veranstaltet, da hatten wir grossen Zulauf. Im Moment haben wir gerade das Thema ‚Schicksal, Fügung, Glück‘, da kommen jeweils zwischen fünfzig und hundert Menschen.» Relevante Themen in Verbindung mit dem Glauben sprechen die Menschen an, ist Kuratle überzeugt. Aber es geht ihm nicht darum, um jeden Preis die Kirchenbänke voll zu bekommen: «Ich finde es spannend, mit Menschen unterwegs zu sein, sie kennen zu lernen, ihre Geschichten und ihre Sichtweisen.»
Deshalb arbeitet Kuratle auch als Familien- und Paartherapeut. «Das ist ein anderer Ansatzpunkt als das Pfarramt», sagt er. «Die Menschen kommen zu mir, und wir können zusammen herauszufinden versuchen, was sie brauchen, an was sie arbeiten wollen. Beziehungen sind etwas sehr Förderungswürdiges, und ich finde es gut, dass die Kirche dort ein niederschwelliges Angebot hat, das wirklich für alle zugänglich ist, nicht nur für die, die es sich leisten können.» Vielfach seien wirtschaftliche Probleme nämlich die Ursache für Beziehungsprobleme: «Wenn ein Paar Kinder hat und finanziell am Limit ist, dann landet der Druck meist auf der Beziehung.»
Ob in der Politik oder in der Kirche: Für David Kuratle sind es die zwischenmenschlichen Beziehungen, die letztlich zählen.