Der Dokumentarfilm «Durchs Höllentor ins Paradies» blickt in die Archive des Kunsthauses Zürich. Gar konfliktscheu gerät das Porträt bei der Bührle-Sammlung.
Die lange Geschichte des Kunsthauses Zürich: Der Dokumentarfilm «Durchs Höllentor ins Paradies» blickt in die Archive des Museums.
Die lange Geschichte des Kunsthauses Zürich: Der Dokumentarfilm «Durchs Höllentor ins Paradies» blickt in die Archive des Museums. - sda - DCM

Das Wichtigste in Kürze

  • «He, berührt die Bilder nicht!» An die Vernissage einer Ausstellung von Marc Chagall im Kunsthaus Zürich 1967 strömen auch Kinder.
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Als einige die Museumsknigge missachten, wird der Künstler wütend.

Diverse amüsante Anekdoten aus dem vergangenen Jahrhundert sind im neuen Dokumentarfilm «Durchs Höllentor ins Paradies» über das Kunsthaus Zürich untergebracht. Ebenso wie Episoden, auf die man stolz ist. Dann ist da noch das Kapitel um Emil Georg Bührle. Ohne dessen «Erfolg darin, Waffen an Nazi-Deutschland zu verkaufen, würde Zürichs Kunsthaus nicht in seiner heutigen Form existieren», schrieb «The Art Newspaper».

Sogar international Wellen geschlagen hat die Debatte um das Erbe des eingebürgerten Kanonenfabrikanten und Mäzenen, der im Zweiten Weltkrieg zum reichsten Mann der Schweiz wurde. Bührle erwarb unter anderem Kunst, die im Holocaust geraubt oder zwangsverkauft worden war.

Aktuell zeigt das Kunsthaus Werke aus der historisch belasteten Sammlung als Leihgaben der Bührle-Stiftung im neusten, von Promiarchitekt David Chipperfield entworfenen Anbau, der zur Hälfte mit öffentlichen Geldern finanziert ist.

Der Film des Zürchers Peter Reichenbach und der Kunsthistorikerin Sibylle Cazajus (eine Nichte des Regisseurs) setzt einen anderen Fokus. «Mich interessiert die Geschichte des Hauses als Museum», sagt Reichenbach. «Viele wissen nicht, dass es am Anfang ein Museum für Schweizer Kunst war.» Seine Wurzeln reichen ins 18. Jahrhundert zu den aufklärerischen Kunstgesellschaften zurück.

Gestaltet mit Archivdokumenten, Interviews, Erzählstimme und Nachstellungen wähnt man sich in einer bewegten Vorlesung. Wir vernehmen etwa, dass Picasso während der Weltwirtschaftskrise seine erste Verkaufsschau in Zürich abhielt. Vom Avantgardisten war die Stadt nicht nur begeistert. Es sei kaum Kunst, so zu malen wie «dieser Strichemacher», monierte ein Leserbriefschreiber.

Erhellend ist auch ein Exkurs zu den Frauen im Kunsttempel, der mit Ann Demeester seit 2022 die erste Direktorin hat. Die Künstlerinnen des Kollektivs Mickry 3 erinnern sich, wie sie in den Neunzigern ihre Installation «Susishop» mit Pop-Art-Vulven präsentierten: «Das hat uns so stolz gemacht.» Sie habe am Kunsthaus oft die «Reibung etwas forcieren» müssen, sagt die damalige Kuratorin Bice Kuriger.

Wenig Ehrgeiz zur Konfrontation demonstriert der Film dagegen in den Bührle-Passagen. Die Probleme mit dem umstrittenen Legat am Kunsthaus, das erst jetzt eine zeitgemässe Provenienzforschung in Aussicht gestellt hat, ziehen leise vorbei in eingeblendeten Schlagzeilen.

Standpunkte aus Interviews sind allzu generell gehalten. «Alle waren dafür. Das rächt sich eben. Wir haben das verdrängt», sagt der Architekturhistoriker Benedikt Loderer. Oder die Judaistin Felicitas Heimann-Jelinek: «Kunst ist nicht einfach ästhetisch. Ich tue etwas mit Kunst». Was oder wer genau gemeint ist? Die Zuschauenden können es sich nur denken.

Es befremdet auch, dass die Bührle-Stiftung und Diskursmacher wie der Historiker Erich Keller fehlen. In eine Stunde habe nicht mehr Material zu diesem Thema gepasst, sonst wäre es ein «Bührle-Film» geworden, sagt Peter Reichenbach dazu. Zudem sei «auf den Mann schiessen» nicht sein Stil. Das Kunsthaus hatte laut dem Regisseur kein Mitspracherecht an der Doku. Dennoch bleibt der Blick auf diesem Museumsrundgang bewundernd.

* Dieser Text von Céline Graf, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

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