Alain Berset: «Schweiz verliert einen der grössten Cineasten»
Der französisch-schweizerische Filmemacher Jean-Luc Godard ist am Dienstag im Alter von 91 Jahren gestorben. Alain Berset trauert um einen «grossen Cineasten».
Das Wichtigste in Kürze
- Der französisch-schweizerische Regisseur Jean-Luc Godard ist am Dienstag verstorben.
- Bundesrat Alain Berset verabschiedet sich von ihm emotional auf Twitter.
- Die beiden waren auch privat bekannt.
Die Nachricht habe ihn«tief berührt», schrieb Bundesrat Alain Berset auf seinem Twitter-Account. «Die Schweiz verliert einen der grössten Cineasten.» Sein Werk habe Generationen von Filmemachenden auf der ganzen Welt inspiriert, sagte der Politiker, der Godard persönlich gekannt hatte, weiter. «Sein Erbe und sein immenser Einfluss gehen in die Geschichte ein.»
Je suis très touché par l’annonce du décès de Jean-Luc Godard. La Suisse perd l’un de ses plus grands cinéastes. Ses œuvres ont inspiré des générations de réalisateurs dans le monde entier, son héritage et son influence immenses marqueront l’histoire. pic.twitter.com/IUNmIMbGGH
— Alain Berset (@alain_berset) September 13, 2022
Huldigungen über die Landesgrenzen hinaus
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron würdigte Godard als einen «nationalen Schatz». «Jean-Luc Godard, der grösste Bilderstürmer unter den Filmemachern der Nouvelle Vague, hat eine äusserst moderne und sehr freie Kunst erschaffen», schrieb Macron auf Twitter. Er veröffentlichte dazu ein Foto, das Godard mit seiner typischen Hornbrille und Filmkamera zeigt.
Der Waadtländer Staatsrat schloss sich den Huldigungen an. Der Filmemacher hinterlasse «in der Region, die ihn hat aufwachsen sehen, eine ebenso strahlende wie von unendlicher Bewunderung geprägte Erinnerung», hiess es in einer Mitteilung.
Der Kanton Waadt hat bei zahlreichen Gelegenheiten direkt oder über die Stiftung Cinéforom Projekte von Godard unterstützt, darunter in jüngster Zeit ein Programm zur Digitalisierung seiner Filme und eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Festival Visions du Réel in Nyon.
Die Waadtländer Behörden loben «eine produktive und brillante aber auch freche Persönlichkeit» und erinnern insbesondere daran, dass die Waadtländer Kulturstiftung ihm 1989 ihren Grand Prix verliehen hatte.
«Der Staatsrat möchte Jean-Luc Godard für alles ehren, was er dem Kanton, der Kultur und dem Kino des 20. Jahrhunderts gebracht hat», heisst es in der Mitteilung weiter.
Einzigartige Bildsprache
«Godard schuf 'Le Mépris' und nun ist er ausser Atem zum Firmament der letzten grossen Erschaffer der Sterne aufgestiegen», schrieb Brigitte Bardot auf Twitter. Die Schauspielerin war in dem Film von 1963 in einer berühmt gewordenen Nacktszene zu sehen, in der sie ihren Filmpartner Michel Piccoli lasziv fragt, ob er ihren Hintern hübsch finde.
«Es ist der Filmemacher, der das Kino am stärksten verändert hat», sagte Godards Biograf Antoine de Baecque der Nachrichtenagentur AFP. Godard habe weder gedreht wie andere noch im Schnitt so gearbeitet wie andere. «Er war sich bewusst, der Totengräber des alten Kinos zu sein», sagte de Baecque.
Ein Godard-Film sei innerhalb weniger Sekunden zu erkennen, fügte de Baecque hinzu. Godard habe mit der bis dahin gültigen Bildsprache gebrochen. Allein im Film «À bout de souffle» gebe es 116 «falsche Übergänge», in denen Godard auf brutale Weise von einem zum nächsten Bild springe, erklärte der Biograf.
«Jede Geschichte muss einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben. Aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge», meinte seinerseits Godard, der für seine Spruchweisheiten bekannt war.
Ausgezeichneter Kino-Rebell
Der Kino-Rebell stammte aus einer wohlhabenden französisch-schweizerischen Familie und lebte abwechselnd in beiden Ländern. An der Pariser Sorbonne-Universität entdeckte er seine Liebe zum Kino. 1968 setzte er sich dafür ein, das Filmfestival von Cannes aus Solidarität mit streikenden Studenten und Arbeitern abzusagen.
Seit den 70er Jahren war Godard mit Anne-Marie Miéville liiert, die Ko-Autorin und -Regisseurin seiner Filme wurde. Das Paar lebte in Rolle (VD) am Ufer des Genfer Sees.
Die letzten Werke Godards wurden immer rätselhafter und nach Meinung auch mancher seiner früheren Fans langweiliger. Der Filmemacher heimste zahlreiche internationale Auszeichnungen ein, unter anderem einen Ehren-Oscar und eine Sonder-Palme in Cannes. Er verzichtete jedoch darauf, sie persönlich in Empfang zu nehmen.
Auf die Frage, ob das Kino sterben werde, wenn er selber sterbe, antwortete er einmal: «Das hoffe ich doch. Dann hätte ich wenigstens ein Ziel in meinem Leben.»