Mutter

Alzheimer: Annie Ernaux dokumentiert den Verfall ihrer Mutter

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Frankreich,

Annie Ernaux' Tagebuch ist ein eindringlicher Bericht über das Leben und der Verfall mit einer Alzheimer-kranken Mutter.

Annie Ernaux
Annie Ernaux hat ein Buch über das Leben und den Verfall mit Alzheimer geschrieben. - EPA/Christine Olsson SWEDEN OUT

Wie erinnert man sich an jemanden, der sich selbst verloren hat? Das Tagebuch «Ich komme nicht aus der Dunkelheit raus» von Annie Ernaux ist der Versuch, dem Vergessen etwas entgegenzusetzen. Präzise und schonungslos beschreibt die französische Autorin die letzten Lebensjahre ihrer Mutter, die an Alzheimer erkrankt ist – und die Machtlosigkeit gegenüber dem Verfall eines geliebten Menschen.

Ein Tagebuch des Verfalls

Die Einträge reichen von Dezember 1983 bis April 1986, dem Todesmonat der Mutter. Ernaux schildert nüchtern und ohne Beschönigung die fortschreitende Krankheit, die Wandlung einer stolzen, eigenständigen Frau hin zu einer Pflegebedürftigen, die in einem Pflegeheim lebt – und deren Persönlichkeit allmählich verschwindet.

Die Autorin leidet unter der Tatsache, ihre Mutter in ein Heim gegeben zu haben. Bei jedem Besuch kämmt sie ihr die Haare und füttert sie. «Sie ist meine Mutter, und sie ist es nicht mehr», schreibt sie an einer Stelle – ein Satz, der das ganze Drama widerspiegelt.

Das Ringen mit Schuldgefühlen

Ernaux spart dabei nicht ihre eigenen widersprüchlichen Gefühle aus: Schuld, Abscheu, Zärtlichkeit, Hilflosigkeit – und schliesslich die Einsicht: «Ich habe sie akzeptiert, wie sie war, in ihrem Verfall.»

Was das Buch so eindrucksvoll macht, ist der unverwechselbare Stil der Autorin: radikal unsentimental, analytisch und gleichzeitig zutiefst menschlich. Sie beobachtet mehr, als dass sie urteilt. Sie dokumentiert mehr, als dass sie erzählt.

Die Sprache wird für die 84-jährige Nobelpreisträgerin ein Instrument des Widerstands gegen das Vergessen. Als sie das Tagebuch verfasste, war Ernaux Mitte vierzig. Es erschien in Frankreich 1997 und damit mehr als zehn Jahre nach den geschilderten Ereignissen – obwohl sie, wie sie selbst schreibt, lange glaubte es niemals zu veröffentlichen.

Das Unsagbare benennen

«Ich komme nicht aus der Dunkelheit raus» ist das Protokoll eines Abschieds in Zeitlupe. Es ist ein schmaler radikal ehrlicher Text über den Zerfall von Identität und einer Tochter die versucht etwas festzuhalten was ihr gleichzeitig entgleitet.

Ernaux gibt der Angst der Sprachlosigkeit die viele Angehörige von Alzheimer-Kranken erleben eine Stimme. Sie schreibt nicht nur über den Tod ihrer Mutter –sie schreibt auch über das Zerbrechen familiärer Rollenbilder.

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Kommentare

User #1993 (nicht angemeldet)

Ja das ist brutal, die Persönlichkeit die man kannte löst sich total auf bis sie ganz verschwindet.

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