Arte lässt den «Glam Rock» glitzern
Bolan, Bowie und Bryan (Ferry) waren die Genies, doch der «Glam Rock» der 70er Jahre lieferte noch viel mehr bunt schillernde Stars. Eine Arte-Dokumentation zeigt, wie stark dieser kurzlebige Musikstil bis in die Gegenwart ausstrahlt.
Das Wichtigste in Kürze
- Fünf Jahre hat die Erde noch bis zu ihrer Zerstörung in David Bowies Song «Five Years», dem ersten Stück seines genialen «Ziggy Stardust»-Albums von 1972.
Nun existiert die Erde zwar zum Glück bis heute - die Prophezeiung traf gleichwohl zu auf jene musikalische Ära, der Bowie seinen Aufstieg zum Superstar verdankte: Der sogenannte Glam Rock war tatsächlich kurzlebig, seine intensiv glitzernde Strahlkraft wirkt aber noch immer.
«Glam Rock: Verrückt, exzentrisch und von kurzer Dauer» hat der Fernsehsender Arte denn auch eine Dokumentation betitelt, die alle glamourösen Helden der frühen und mittleren 1970er Jahre präsentiert. Am Ende der 54 Minuten, zu den Klängen von Bowies Lied, ist klar, dass der 50 Jahre zurückliegende Pop-Urknall viele Musiker späterer Generationen beeinflusste: von Bauhaus und Human League im New Wave der 70er/80er über Mötley Crüe (Glam-Metal der 80er), Suede (Indiepop der 90er) und Marilyn Manson (Schock-Rock in der Nachfolge von Alice Cooper) bis zum Dance- und Disco-Pop von Goldfrapp oder Lady Gaga.
Dabei entstand der verspielte, sexuell vieldeutige, hedonistische «Glam» zu einer Zeit, als es der Rockmusik eigentlich schlecht ging, wie die französischen Doku-Autoren herausstellen. Nach dem Tod von Pop-Ikonen wie Brian Jones (The Rolling Stones), Janis Joplin, Jimi Hendrix und Jim Morrison (The Doors) Ende der 60er sowie der Beatles-Trennung 1970 sei es zunächst bergab gegangen: «Als der Rock sterblich wird, wird er auch sterbenslangweilig. Das neue Jahrzehnt beginnt wie ein endloses Gitarrensolo - virtuos, aber prätentiös», heisst es im Arte-Kommentar zum nun angesagten Psychedelic- und Progressive-Rock.
Doch dann kommt mit dem Auftritt eines gewissen Marc Bolan (T. Rex) in der britischen TV-Musiksendung «Top of the Pops» 1971 eine neue Stilrichtung als Sensation daher. Schrille Looks mit Plateausohlen, hautengen Hosen und viel Schminke, das lässige Spiel mit Bi- und Homosexualität sowie eingängige Refrains prägen den Glam Rock. Leitfiguren wie Bowie, Bolan und Bryan Ferry (Roxy Music), aber auch zeitweilige Glam-Anhänger wie Elton John oder Freddie Mercury (Queen) werden zu Idolen von Millionen Jugendlichen in aller Welt.
«"T. Rextasy" folgt auf "Beatlemania" - und die Teenies kreischen endlich wieder um die Wette», heisst es in der kurzweiligen, aber auch etwas oberflächlichen Arte-Dokumentation. Der Film lässt kaum einen der Topstars aus, berücksichtigt jedoch auch die (aus heutiger Sicht) musikalisch zweitrangigen Genre-Vertreter wie The Sweet oder Gary Glitter («Meine Musik ist nicht sehr clever, aber gut zum Tanzen»).
Die Hoch-Phase des völlig unpolitischen Stils währt indes nur kurz, denn: «Im Schleudergang des Glam Rock sind die Stars schnell ausgewrungen.» Bei der Schilderung des Niedergangs trägt manche Arte-Formulierung dick auf, etwa: «Die Stars des Glam sind wie Ikarus - ihre Polyester-Flügel verglühen im Rampenlicht des Ruhms.»
Gut herausgearbeitet wird freilich die Wirkung dieser frechen, manchmal auch nur ordinär stampfenden Popmusik in den USA - sie ist begrenzt. Lou Reed, Iggy Pop und die Sparks geben sich zeitweise Glam-nah, die als Dragqueens verkleideten New York Dolls oder der schwule Sänger Jobriath überfordern bereits das Publikum. Alice Cooper, dem der Brückenschlag vom Glam zum Horror-Hardrock glückte, sah seine Rolle pragmatisch: «Nach der Bühne gehe ich nach Hause, trinke Bier, sehe fern und spiele Golf.» Den USA habe «das Epizentrum für ein Glam-Rock-Beben» gefehlt, so die Arte-Kommentatoren.
Am Ende der Ära, also Ende 1977, war Bolan nach einem Autounfall tot - er wurde nur 29 Jahre alt. Die tragenden Säulen Bowie und Roxy Music lebten «längst auf einem anderen Planeten», sie sorgten mit ihren Weiterentwicklungen des Glitzer-Stils dafür, dass diese Musik unerwartet zeitlos wurde. 1978 war dann Punk das Mass aller Dinge im Pop - auch nur kurzfristig. Aber das ist eine andere Geschichte.