Bedrückend: Elena Ferrantes «Frau im Dunkeln»

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Deutschland,

Eine Mutter zweier erwachsener Töchter macht Urlaub am Strand. Bald verknüpft sich ihr Leben auf unheilvolle Weise mit dem einer jungen Frau. Ein frühes Werk der Bestseller-Autorin Elena Ferrante ist nun neu übersetzt worden. Darin finden sich viele ihrer gängigen Motive.

Elena Ferrantes «Frau im Dunkeln». Foto: Suhrkamp Verlag
Elena Ferrantes «Frau im Dunkeln». Foto: Suhrkamp Verlag - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Seit dem Riesenerfolg von Elena Ferrantes Neapel-Saga «Meine geniale Freundin» ist die italienische Schriftstellerin auch in Deutschland gefragt.

Erst im Herbst wurden ihr Debütroman «Lästige Liebe» (1992) und das Kinderbuch «Der Strand bei Nacht» (2007) in neuer Übersetzung auf den deutschen Markt gebracht. Nun folgt der 2006 in Italien erschienene Roman «Die Frau im Dunkeln». Und damit ist der Ferrante-Reigen nicht beendet: Auch den Roman «Tage des Verlassenwerdens» (Italien, 2011) will Suhrkamp bald noch in neuer Übersetzung bringen.

«Die Frau im Dunkeln» ist beklemmend. In der Geschichte um zwei Mütter beweist Ferrante einmal mehr, wie gut sie in psychische Abgründe blicken kann. Und wie schon öfter, spielt dabei auch eine Puppe eine Rolle.

Um ein Spielzeug drehte sich schon eine der ersten Szenen in «Meine geniale Freundin»: Die Freundinnen Lenù und Lila werfen ihre Puppen in den Keller eines gefürchteten Camorra-Oberhaupts. Gegen Ende der vier Bände wird das nochmal wichtig. Und in Ferrantes erstem Kinderbuch spielt eine Puppe gar die Hauptrolle: Celina bleibt am Strand zurück, weil das Mädchen Mati eine Katze geschenkt bekommt und darüber ihr Lieblingsspielzeug vergisst.

In «Die Frau im Dunkeln» ist es nun die Puppe der Tochter einer jungen Frau namens Nina, die den Plot wesentlich vorantreibt. Oder wie die Erzählerin - die zweifache Mutter Leda - schon zu Beginn sagt: «Die Dinge, die wir selbst nicht verstehen, sind am schwierigsten zu erzählen.»

Aber was erzählt sie dem Leser? Vordergründig die Geschichte eines Strandurlaubs. Eine Frau Ende 40, die sich freut, Zeit für sich zu haben. Die zwei erwachsene Töchter hat, die nach Kanada ausgewandert sind, wo auch ihr Vater lebt, der Mann mit dem Leda lange nicht mehr zusammen ist. Und die am Strand eine Familie aus Neapel kennenlernt, allen voran die junge Mutter Nina und deren Tochter Elena, für die Leda eine seltsame Faszination hegt.

Eigentlich aber zieht uns die Protagonistin tief in ihre Vergangenheit und damit die dunklen Seiten des Mutterseins. Was macht es aus einem, wenn man jung Kinder bekommt, aber Karriere machen wollte? Wie hält man es aus neben einem Mann, dem es vor allem um sich geht? «Er hatte nicht mal die Zeit, sich richtig anzusehen, was für eine Kopie seines Körpers da entstanden war», heisst es.

Aber vor allem: Wie macht eine Mutter es ihren Kindern recht? «Ich empfand für sie eine vertrackte Mischung aus Sympathie und Abneigung», sagt Leda erschreckend ehrlich. Und wie macht man es sich selbst recht? Leda und Nina bilden bei diesen Fragen das Zentrum. Es geht um Sehnsucht nach einem anderen Leben. Um Eifersucht. Um Vergänglichkeit.

Ferrante spielt in diesem frühen Werk mit ähnlichen Motiven wie auch in ihrem Bestseller «Meine geniale Freundin» oder ihrem Debüt «Lästige Liebe». Neapel spielt eine Rolle - Sprache, Herkunft und Klasse. Eine komplizierte Beziehung zwischen zwei Frauen, über deren Verhältnis etwas Bedrohliches schwebt. Und die patriarchalen Ungerechtigkeiten, an denen sie sich abarbeiten mussten - und noch immer müssen.

Der Roman ist in knappe, pointierte Kapitel gefasst, die bald einen Sog entwickeln wie in einem Krimi. Und er endet mit einem so guten letzten Satz, wie man ihn selten in der Literatur findet.

- Elena Ferrante: Frau im Dunkeln, Suhrkamp Verlag, 188 Seiten, 22,00 Euro, ISBN: 978-3-518-42870-2.

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