Bon Jovi werden mit «2020» politisch

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USA,

Jahrzehntelang standen Bon Jovi für Radio-Rockhymnen mit einfachen Botschaften. Die Songs ihres neuen Albums «2020» drehen sich nun um Waffengewalt, George Floyd und Corona. Frontmann Jon Bon Jovi will politisch wirken, ohne weiter zu spalten.

Bon Jovi sind ernster geworden. Foto: Henning Kaiser/dpa
Bon Jovi sind ernster geworden. Foto: Henning Kaiser/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Jon Bon Jovi macht aus der Not eine Tugend.

«Wenn du nicht tun kannst, was du tust, dann tust du, was du kannst», singt er auf dem neuen Album seiner Band mit dem Titel «2020». Die Single «Do What You Can» hat der 58-Jährige während der Corona-Pandemie zu seinem persönlichen Motto gemacht.

Nach der Tournee-Absage gründete er mit Ehefrau Dorothea in seiner Nachbarschaft eine Tafel, um Menschen in Not zu helfen. Schürze statt Lederjacke - bei Instagram war zu sehen, wie der Sänger in den Hamptons Kisten schleppt und in der Küche mit anpackt. Auch mit seiner Musik will er nun etwas bewegen.

«2020» sollte eigentlich im Mai erscheinen, wurde aber coronabedingt verschoben. Auf dem Cover zeigt sich der ergraute Beau nachdenklich, in Bon Jovis Sonnenbrille spiegelt sich die Flagge der USA. Der Titel ist natürlich eine Anspielung auf das US-Wahljahr. Weil 2020 inzwischen für so viel mehr steht, nahm die Band aus New Jersey nachträglich die Anti-Corona-Single «Do What You Can» sowie «American Reckoning» über die Black-Lives-Matter-Proteste und den Tod des Afroamerikaners George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz auf.

«Wieder weint eine Mutter, die Geschichte wiederholt sich. Ich kann nicht atmen», singt Bon Jovi über Floyd. «Verdammt, diese acht langen Minuten lag er in Handschellen mit dem Gesicht auf dem Boden.» Von einer Rockband, die für ihren Dauerbrenner «Living On A Prayer» und für Lieder wie «You Give Love A Bad Name» oder «Born To Be My Baby» bekannt ist, könnte das peinlich, ja anbiedernd wirken. Doch es klingt authentisch.

Jon Bon Jovi meint es ernst. Seit Jahren engagiert er sich gemeinnützig und politisch. Die Musik, im vorigen Jahrzehnt nicht immer ganz treffsicher, ist ernsthafter geworden.

Schon früh war «2020» als politisches oder zumindest von aktuellen Themen inspiriertes Album konzipiert. In «Lower The Flag» geht es um Waffengewalt und Amokläufe. «Die beiden Massenschiessereien in Dayton/Ohio und El Paso/Texas sind der Grund, warum der Song existiert», erzählt Jon Bon Jovi im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Verbrechen hätten ihn sehr bewegt. «Sie lagen zeitlich nur 24 Stunden auseinander. Man hatte nicht mal mehr Zeit, ein Ereignis zu verarbeiten, da folgte schon das nächste.»

Die Partyrock-Zeiten mit Bon-Jovi-typischen Phrasen wie «It's my life, it's now or never» sind vorerst vorbei. Stattdessen lenkt «Unbroken» den Blick auf Soldaten, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden. Und «Blood In The Water» beschreibt die Lage illegaler Einwanderer in den USA.

Der Sänger - auf diesem Album fast alleiniger Songwriter - vermeidet in den Liedern aber eine klare politische Position. «Ich habe mich mehr als je zuvor bemüht, in den Songs keine Partei zu ergreifen, um die politische Spaltung Amerikas nicht noch mehr anzuheizen», sagt er im dpa-Interview. Dass seine Band ihre Fans in allen politischen Lagern hat, spielte womöglich ebenfalls eine Rolle.

Aber John Francis Bongiovi Jr., wie er mit bürgerlichem Namen heisst, hakt nach: «Was, wenn es einer deiner Lieben wäre, der auf dem Boden liegt?», fragt er in «Lower The Flag». Und singt später: «Lass uns drüber reden!» - Bon Jovi als Band für den gesellschaftlichen Dialog.

Ob sich die Hoffnung erfüllt, dass sein Song «auch die härtesten Waffen-Befürworter zum Nachdenken bringt», ist fraglich. Zu verhärtet sind die Fronten, zu tief ist die gesellschaftliche Spaltung in den USA. Das zeigte sich gerade erst wieder rund um das TV-Duell zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden - fünf Wochen vor der Wahl am 3. November.

Jon Bon Jovi unterstützt den Demokraten Biden. «Wenn Amerika durch die Wahl Donald Trumps etwas gelernt hat, dann dass er die Stimmen derer hörte, die bis dahin nicht gehört worden waren. Das war vermutlich das einzig Gute, was die Sache mit sich brachte», sagte er im März. «Jetzt aber brauchen wir in Amerika jemanden, der uns nicht weiter spaltet, sondern eint.» Biden traue er das zu.

Rein musikalisch ist «2020» nach langer Zeit mal wieder ein besseres Bon-Jovi-Werk. Dass man sich dabei erneut New Jerseys grössten Rockstar Bruce Springsteen zum Vorbild nahm («Let It Rain», «American Reckoning»), war zu erwarten. Und es hört sich auch ganz gut an.

Auf «This House Is Not For Sale» (2016) sang Jon Bon Jovi über den Ausstieg seines langjährigen Gitarristen und Co-Songwriters Richie Sambora. Erst jetzt hat er sich hörbar von Sambora emanzipiert. Das findet der Frontmann auch selbst. «Bon Jovi stochern nicht mehr im Nebel», stellt er klar. «Wir haben wieder klare Sicht und setzen die Segel.» Doch noch eine dieser typischen Bon-Jovi-Phrasen.

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