Dorian Gray oder: Das Bildnis des Oscar Wilde
Vor 130 Jahren veröffentlichte Oscar Wilde seinen Roman «Das Bildnis des Dorian Gray». Noch heute löst dieses Werk grosse Begeisterung aus. Eine Dokumentation erklärt, was es so faszinierend macht.
Das Wichtigste in Kürze
- Oscar Wildes «Bildnis des Dorian Gray» aus dem Jahr 1890 löst noch immer eine grosse Faszination aus.
Es ist eine Fantasy-Geschichte, ein Schlüsselroman und ein prophetisches Meisterwerk, beschreiben Kenner dieses ungewöhnliche Stück Weltliteratur. Doch was macht den Roman so modern, so einzigartig?
Dieser Frage geht eine Dokumentation nach, die am Mittwoch um 21.45 Uhr auf Arte zu sehen ist. Bevor darin zahlreiche Experten das Werk aus verschiedenen Perspektiven betrachten, erinnert der Film daran, worum es in dem gefeierten Roman geht: Der Protagonist Dorian ist narzisstisch veranlagt und sieht in der äusseren Schönheit die Quelle des gesellschaftlichen Erfolgs.
«Verliert man sein gutes Aussehen, verliert man alles», sagt er an einer Stelle. Verstört von der Vorstellung, älter zu werden, spricht Dorian bei der Betrachtung seines Porträts einen Wunsch aus, der sein Leben verändern wird. «Würde sich doch nur das Bild verändern, und ich könnte für immer so bleiben, wie ich jetzt bin. Dafür würde ich alles geben», sagt er. «Meine Seele gäbe ich dafür.» So entsteht ein neuer faustischer Pakt, der grosses Unheil nach sich zieht.
Dorians Denkweise sei aktueller denn je, erklärt die Wissenschaftlerin Sandra Mayer: «Das spricht uns an, die wir heute besessen von Äusserlichkeiten sind wie nie zuvor.» Andere Experten sehen in Oscar Wildes ureigenem Narzissmus den Ausgangspunkt für den Roman. Der irische Schriftsteller war zu seiner Zeit ein Meister der Selbstinszenierung, für die er vornehmlich die Fotografie nutzte.
Neben einer biografischen Einordnung des Romans präsentiert der Film auch Interpretationsansätze, die das Werk literaturgeschichtlich verorten oder es vor dem Hintergrund der damaligen viktorianischen Gesellschaft erläutern. Dazwischen werden immer wieder vielsagende Schwarz-Weiss-Fotografien, Archivaufnahmen und Ausschnitte aus der 1945 erschienen Romanverfilmung von Albert Lewin eingeblendet. An geeigneter Stelle kommt der umstrittene Autor sogar selbst zu Wort - über den Umweg seiner Aphorismen.
Diese Informationsdichte in Kommentar, Bild und Schrift macht die Dokumentation so sehenswert. Wer den Roman noch nicht gelesen hat, wird das nach dem Film unbedingt nachholen wollen. Wer ihn bereits kennt, dürfte sich auf ein besseres Verständnis bei der Relektüre freuen.