Gary Numan meldet sich mit «Intruder» zurück
Ende der 70er Jahre hatte Gary Numan dem Elektropop massgeblich zum Durchbruch verholfen. Beim Siegeszug der Synthesizer in den 80ern war er nicht mehr vorn dabei. Heute betrachtet er Musik als Hobby.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Liste der Popstars, die Gary Numan als einen ganz entscheidenden Einfluss für ihre Karriere angeben, ist lang - sehr, sehr lang.
Sie reicht von so unterschiedlichen Akteuren wie Tears for Fears, Lady Gaga und Afrika Bambaataa bis hin zu Nine Inch Nails, Marilyn Manson und den Smashing Pumpkins.
Selbst Joy Division sollen, nachdem sie den Synthiepop-Pionier mit seinem Titel «Are Friends Electric?» gehört hatten, in der BBC gesagt haben: «Das ist die Zukunft der Popmusik».
Das Quartett aus Manchester sollte recht behalten; die 80er Jahre standen tatsächlich zu weiten Teilen im Zeichen von Elektronik, Experiment und Melancholie. Nur war Gary Numan leider kein Teil mehr davon. Das habe ihn regelrecht kaputt gemacht, erzählt der 63-Jährige in etlichen Interviews heute freimütig. Und es klingt absolut verständlich: Nach drei Nummer-eins-Alben in seiner britischen Heimat Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre ging es steil bergab. Während andere Künstler - Human League, Duran Duran und natürlich Depeche Mode - seinem Vorbild nacheiferten und damit einen Hit nach dem nächsten landeten, geriet Gary Numan zumindest beim Publikum in Vergessenheit.
Wenn der als Gary Anthony James Webb geborene Numan in aktuellen Interviews an diese Zeit zurückdenkt, sieht man ihm den damaligen Schmerz durchaus an. Vielleicht habe er sich selbst zu sehr unter Druck gesetzt und deshalb keine Freude an der Musik mehr finden können, sagt er oft. Aber dann sei Mitte der 90er eine Entscheidung gefallen, die alles änderte. Gary Numan beschloss, Musik fortan nicht mehr als seinen Beruf, sondern nur noch als Hobby zu sehen.
Dieser Umstand und die Tatsache, dass viele der eingangs erwähnten Superstars ihre Verehrung nun öffentlich kundtaten, haben aus Gary Numan über die Jahre zwar keinen steinreichen, aber einen umso zufriedeneren und humorvolleren Zeitgenossen gemacht, der sich nicht mehr gross darum scheren muss, wie viele Einheiten er absetzt. Für eine Villa am See würde es eh nicht reichen. «In der Musik steckt kein Geld mehr», sagt Numan im Youtube-Format «Records In My Life». Allerdings: Hätte er vor drei Jahrzehnten so etwas wie sein neues Album «Intruder» vorgelegt, wäre ein schickes Strandhaus wohl drin gewesen.
«Intruder» vereint, was die Faszination an den über 40 Jahre alten Erfolgsalben von Gary Numan (teilweise mit seiner Band Tubeway Army) ausgemacht hat: Mutige Soundauswahl, wuchtige Produktion, eine einzigartige Interpretation und nicht zuletzt ein treffsicheres Songwriting, was im Genre Elektropop viel zu oft vernachlässigt wird. Würden dieser Tage etwa Depeche Mode einen Titel wie die Singleauskopplung «Saints and Liars» herausbringen, wäre ihnen ein kollektiver Lobgesang und die Bescheinigung einer «Rückkehr zur alten Stärke» sicher.
Da mag es wie Ironie klingen, wenn Numan heute erzählt, dass die Depeche-Mode-Platte «Songs of Faith and Devotion» von 1993 schliesslich für ihn den Ausschlag gab, sich fortan doch lieber als Freizeitmusiker zu sehen. Für nicht wenige DM-Fans endete mit jenem Album die goldene Ära ihrer Lieblingsband. Für Gary Numan hat sie nach einer Durststrecke von über einem Jahrzehnt dagegen noch einmal begonnen. Nicht finanziell, wohl aber musikalisch.