«Glorreiche Anarchie»: Green Day mit neuem Sound
Wenn Bands lange im Geschäft sind und etwas Neues ausprobieren wollen, ist das oft eine Gratwanderung: Muss der Sound erkennbar bleiben? Und wie weit darf er sich vom Markenkern entfernen? Wenn es nach den US-Punkern von Green Day geht, ist die Antwort: sehr weit!
Das Wichtigste in Kürze
- Die US-Punker von Green Day haben ein neues Album.
Selbst Fans werden das aber wohl eher am Namen auf dem Cover erkennen als an der Musik. Denn die neue Platte klingt kaum nach Green Day.
«Ein neuer Sound für uns», sagt Frontmann Billie Joe Armstrong (47). Und damit hat er mehr als Recht. So wie auf ihrem 13. Studioalbum «Father Of All...» (die Pünktchen ersetzen «Motherfuckers») hat die Band sich noch nie angehört. «Wir gehen in neue Richtungen», sagt Armstrong laut Mitteilung. «Mit Soul, Motown, mit Glam und Hymnischem.» Zusammengefasst ist das Album für ihn «glorreiche Anarchie». Spass in dunklen Zeiten.
Zumindest für diejenigen, die neue Green-Day-Klassiker wie «Know Your Enemy», «American Idiot» oder (die älteren erinnern sich) «Basket Case» erwartet haben - ist ein eher gewöhnungsbedürftiger Mix herausgekommen: dreckiger Punk, Rock-Hymnen, ein bisschen Indie und eine Prise Pop. «Modern» nennt Armstrong das neue Album.
Allerdings klingen einige Songs doch eher nach vergangenen Jahrzehnten: «Meet Me On The Roof» könnte auch aus den Nuller-Jahren und von den Kooks stammen. «I Was A Teenage Teenager» klingt wie Weezers «Buddy Holly». Passenderweise gehen Weezer und Green Day zusammen auf Tournee und treten im Juni auch in Berlin auf.
Aus einer ganz anderen Ecke kommt dann «Stab You In The Heart». Das ist richtig guter alter Rock'n'Roll und erfüllt, was Armstrong generell über das Album sagt: «Dreckig und chaotisch.» «Sugar Youth» ist der Song, in dem die klassische Green-Day-DNA noch am ehesten erkennbar ist - auch weil Armstrongs nach so vielen Jahren im Geschäft ikonische Stimme da deutlicher zur Geltung kommt.
In der jüngeren Vergangenheit hat die Band aus Kalifornien, die Mitte der 1990er Jahre mit dem Album «Dookie» und dem grossen Hit «When I Come Around» ihren internationalen Durchbruch hatte, sich immer wieder politisch geäussert - gegen den US-amerikanischen Waffenwahn, gegen Donald Trump. Stichwort: «American Idiot». 2018 schaffte es dieser damals schon 14 Jahre alte Song anlässlich des Besuchs von US-Präsident Trump in Grossbritannien zurück in die britischen Charts. Beim Hurricane-Festival vor drei Jahren brüllte Armstrong noch «Fuck you Donald Trump».
Die neue soll aber nun eine unpolitische Party-Platte sein - anders als der Vorgänger, Studioalbum Nummer zwölf «Revolution Radio» von 2016, das unter dem Eindruck von Terroranschlägen wie dem Attentat auf das Pariser «Bataclan» stand.
«Die Texte sind wie eine Party und der Lifestyle, einen Scheiss drauf zu geben», sagt Armstrong über das neue Werk. «Überleben im Chaos - der echte Scheiss!» Denn: «Rock hat seine Eier verloren.» Er wolle, «dass Green Day aus dem Bullshit ausbricht». Nach dem Vorbild junger Hip-Hop-Acts wolle er mit seinen Kollegen jetzt folgendermassen wahrgenommen werden: «Die böseste Rockband auf dem Planeten, die das alles einen Scheiss interessiert.» Auch ein Statement.
Wie partytauglich die neue Platte ist, dürfte sich spätestens im Juni beim Zwillingsfestival «Rock am Ring» und «Rock im Park» herausstellen. Dort treten Green Day neben Volbeat und System Of A Down als Headliner auf.