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Ist Streaming die Zukunft für Oper und Theater?

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Deutschland,

Im Lockdown bleiben Opernhäuser und Theater zu, Aufführungen sind nur noch digital zu erleben. Das Angebot ist gross. Ob damit auch eine neue Kunstform entsteht?

Solisten und Opernchor proben im Februar 2020 eine Szene aus Richard Wagners Oper «Lohengrin» am Theater Erfurt. Foto: Martin Schutt/dpa
Solisten und Opernchor proben im Februar 2020 eine Szene aus Richard Wagners Oper «Lohengrin» am Theater Erfurt. Foto: Martin Schutt/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die «Traviata» verzückt uns aus dem Lautsprecher, Hans Castorp flimmert in Thomas Manns «Zauberberg» auf dem Monitor - im Lockdown bleiben Theater, Konzert- und Opernhäuser geschlossen, Live-Kunst ist solange nur digital zu erleben.

Erst wenn Restaurants wieder öffnen dürfen, könnten Musentempel und Musikhallen wieder Publikum empfangen. So sieht es jedenfalls ein Stufenplan vor, der unter den Bundesländern kursiert.

Ob die Metropolitan Opera in New York, die Mailänder Scala, die Bayerische Staatsoper oder das Theatertreffen in Berlin - der digitale Kulturgenuss ist bis auf weiteres der Ersatz für das persönliche Erlebnis im Saal. In der Krise sucht ein Teil der Kulturbranche ein wenig Rettung in der digitalen Welt.

Schon sofort nach Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr hatten Orchester und Theater auf digitale Ausspielungswege gesetzt. Manches sah damals noch unbeholfen aus, inzwischen sind neue Darstellungsformen entstanden.

Das Deutsche Symphonie-Orchester (DSO) in Berlin etwa hat drei Musikfilme gedreht, die auf dem DSO-Player abrufbar sind. «Im Exil» heisst die Serie, bei der das Ensemble und Chefdirigent Robin Ticciati in wechselnden Räumen auftreten. Zwischen den Skulpturen in Schinkels Friedrichswerderscher Kirche, im Grunewald und im Berliner Club Sisyphos hat Regisseur Frederic Wake-Walker drei Filme gedreht, die das DSO aus dem Korsett einer reinen Konzertverfilmung im Saal befreien.

Auch die Staatsoper Unter den Linden setzt auf neue Wege. «Es ist so wichtig, dass der Motor der Kultur bestehen bleibt – für unser Haus und die Gesellschaft als Ganzes», sagt Staatsoper-Intendant Matthias Schulz. Bei der «Lohengrin»-Premiere im leeren Saal spielten nur 40 Musiker im Graben, die Hälfte der üblichen Instrumente zwar, aber historisch korrekt: Die kleine Zahl entsprach der Original-Besetzung der Uraufführung in Weimar. Eine Wagner-Oper fast als Kammermusik, ein seltenes und packendes Erlebnis.

Auch die neue Premiere der Staatsoper mit Leoš Janáčeks «Jenufa» wird coronagerecht. In der Regie des Italieners Damiano Michieletto dirigiert Simon Rattle am Samstag (13.2.) eine Geistervorstellung, 3sat überträgt live ab 20.15 Uhr. In München feiert gleichzeitig Carl Maria von Webers «Freischütz» im Nationaltheater Premiere, auch ohne Publikum, in einer Inszenierung von Dmitri Tcherniakov mit dem Dirigenten Antonello Manacorda. Der Stream läuft kostenlos ab 18.30 Uhr auf www.staatsoper.tv.

Das Theater musste sich ebenfalls verändern. Im Sommer 2020 behalfen sich manche Bühnen noch mit Umbauten - das Berliner Ensemble (BE) mit seinen ausgebauten Stühlen wurde zum Symbolbild. Jetzt zeigt das BE historische Inszenierungen im Netz. Auch das Deutsche Theater ging online - mit Thomas Manns «Zauberberg» als Livestream. Die Berliner Volksbühne stellt ihr neues Stück «Metamorphosen» ins Netz, auch die Premiere von «Anthropos, Tyrann (Ödipus)» ist als Livestream geplant.

Auch das Berliner Theatertreffen muss plötzlich auf Streaming setzen. Im vergangenen Jahr musste das Festival ins Netz ausweichen. Auch diesmal wird wegen der Pandemie - zumindest vorerst - mit einer digitalen Variante geplant. Unter den zehn ausgesuchten Inszenierungen sind diesmal zwei, die online eine Premiere hatten. Corona habe auch Theaterkünstler ins Netz gebracht, sagt Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele. «Es entstanden neue Ästhetiken. Und Infrastrukturen. Und all das wird bleiben.»

Davon geht auch ein von der Volkswagenstiftung gefördertes Forschungsvorhaben aus. Das Projekt «Digital Concert Experience» will herausfinden, wie digitale Angebote auf das Publikum wirken und welche zukunftsfähig sein könnten. Stimmt die Annahme, dass digitale Angebote ein neues und jüngeres Publikum erreichen, das sonst kein klassisches Konzert besucht hätte? Mit VR-Brillen und Sensoren soll an Probanden getestet werden, welche Emotionen Live-Konzerte und On-Demand-Angebote hervorrufen.

Der Konzertveranstalter Folkert Uhde vom Berliner Radialsystem, der an dem Projekt mitarbeitet, sieht Chancen in der Digitalität. Man könne etwa mit interaktiven Mitteln so etwas wie eine Spannung im digitalen Raum entstehen lassen, sagte er im NDR.

Aber bleiben diese Formen auch interessant, wenn man wieder selbst ins Theater, in die Oper oder zu einem Konzert gehen kann? Reden nicht viele Menschen davon, wie sehr sie sich danach sehnen, mit anderen in einem Raum zu sitzen und zusammen etwas zu erleben?

Dass Musik im Fernsehen und als Streaming zumindest derzeit sein Publikum findet, zeigt das Projekt des Geigers Daniel Hope. Mit Hope@home streamte die Plattform Arte Concert wochenlang aus Hopes Wohnzimmer im Berlin. Nun wird die Reihe fortgesetzt. Bei Europe@Home trifft Hope Musiker aus den 27 EU-Mitgliedsstaaten zu den Hauskonzerten (ab 12. Februar). Das Angebot des europäischen Kulturkanals, zu dem auch Opern, Ballett und Pop gehören, kommt offenbar gut an. Die knapp 500 Livestreams im Programm wurden knapp 75 Millionen Mal abgerufen.

Auch die Berliner Staatsoper hat gute Erfahrungen mit dem Streamen. In der Spitze erreichten die Streams bis zu 20 000 Menschen in 24 Stunden, im Durchschnitt seien es rund 10 000 am Tag. Die Aufrufe kämen aus 48 Ländern von Kasachstan bis Kolumbien, nach Deutschland vor allem Russland, Japan, Österreich, USA, Frankreich. Und eins sei auffallend, sagt Intendant Schulz: Online erreiche die Staatsoper ein jüngeres Publikum als im Saal. Die zweitgrösste Zuschauergruppe war bisher zwischen 25 und 34 Jahre alt.

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