Mathematikerin Claire Voisin gewinnt renommierten Crafoord-Preis
Die mit dem Crafoord-Preis für Mathematik ausgezeichnete Claire Voisin spricht im Interview über Schulmathematik, Mathematikerinnen und algebraische Varietäten.
Das Wichtigste in Kürze
- Die französische Mathematikerin Claire Voisin gewann am 31. Januar den Crafoord-Preis.
- Sie wurde für ihre Forschung auf dem Gebiet der Hodge-Vermutung ausgezeichnet.
- Die Vermutung von Hodge zählt zu den sieben Millennium-Rätseln der Mathematik.
Am 31. Januar wurde die Französin Claire Voisin mit dem renommierten Crafoord-Preis für Mathematik ausgezeichnet. Voisin forscht am Pariser Institut de mathématiques de Jussieu zu algebraischer Geometrie und sogenannten Varietäten, die von algebraischen Gleichungen definiert werden. Berühmtestes Beispiel ist die Gleichung x² + y² = 1, die einen Kreis beschreibt.
Claire Voisin gilt als weltweit grösster Experte auf dem Gebiet der noch ungelösten Hodge-Vermutung. Das algebraische Problem beschäftigt sich mit der Natur von Varietäten, die in noch grösseren Varietäten enthalten sind. Die Hodge-Vermutung ist eines der sieben Millennium-Probleme, die im Jahr 2000 vom Clay Mathematics Institute ernannt wurden. Dabei handelt es sich um ungelöste Fragen der Mathematik, für deren Lösung jeweils ein Preisgeld von 1 Million US-Dollar winkt.
Zu den Millennium-Rätseln zählen etwa das P-NP-Problem der Informatik sowie der Beweis der Riemannschen Vermutung der Zahlentheorie. Der Beweis der Poincaré-Vermutung in der Topologie wurde 2002 durch den Russen Grigori Jakowlewitsch Perelman erbracht.
Voisin arbeitete ausserdem an spekulativen Fragen zur String Theory. Im Interview mit «Nature» sprach die Mathematikerin nun über ihre Rolle als Pionierin, Schulmathematik und ungelöste Probleme ihres Fachs.
Als erste Frau mit dem Crafoord-Preis in Mathematik ausgezeichnet
Voisin war die erste Frau, die mit dem renommierten Crafoord-Preis in Mathematik ausgezeichnet wurde. Gegenüber «Nature» sagt sie, dass das für sie jedoch keine besondere Bedeutung habe: «Seit ich mich mit Mathematik beschäftige, war ich immer die erste Frau, die dies oder jenes getan hat. Ich persönlich finde es nicht gut, das so zu betonen.»
Vorurteile nimmt Voisin jedoch immer noch wahr: «Ich bin mir sicher, dass die Welt der Mathematik für Mädchen und für junge Frauen nicht ermutigend ist.»
Bereits als Kind mochte sie die Mathematik, fand jedoch erst später zum Fach. Ursprünglich habe sie sich für Philosophie interessiert und immer gedacht, dass Mathematik zu mechanisch sei. «Wenn man sich in der Schule mit Mathematik beschäftigt, darf man zu keinem Zeitpunkt wirklich neue Ideen entwickeln», erklärt Voisin.
Claire Voisin: Für Lösung der Hodge-Vermutung aktuell «keine Hoffnung»
Die Aussichten für die Lösung der Hodge-Vermutung hält sie für gering. Das Problem sei, dass man zum Beweisen einen Weg erfinden müsse, um interessante Varietäten zu konstruieren. «Und wir haben absolut keine Ideen, wie man das machen könnte. Daher sehe ich im Moment keine Hoffnung», so Voisin.
Einige der bekanntesten Arbeiten der Mathematikerin befassen sich mit der Spiegelsymmetrie-Vermutung, die von der Stringtheorie inspiriert wurde. Problematisch an der Schnittstelle von Mathematik und Physik sei, dass Physiker «nicht auf der gleichen Zeitskala» arbeiten. «Wir Mathematiker brauchen sehr viel Zeit, um die richtigen Definitionen zu finden und Theoreme zu beweisen. Wenn man damit anfängt und drei Jahre später zurückkommt und den Physikern sagt: ‹Jetzt habe ich eure Formel rigoros bewiesen›, haben sie schon eine andere Richtung eingeschlagen.»
Neben dem Fach Mathematik wurde der Crafoord-Preis dieses Jahr auch auf dem Gebiet der Astronomie verliehen. Die Gewinner waren der Brite Douglas Gough, der Däne Jørgen Christensen-Dalsgaard und die Belgierin Conny Aerts.