Rassismus-Debatte führt zum Umdenken

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Deutschland,

Die Dixie Chicks sind passé. Sie heissen jetzt The Chicks. Und auch der lächelnde Mann auf den bekannten Reispackungen steht auf der Kippe. Was die Rassismus-Debatte bewirkt - auch in Deutschland.

Emily Robison (l-r), Natalie Maines und Martie Maguire nennen sich nur noch «Chicks». Foto: Matt Sayles/AP/dpa
Emily Robison (l-r), Natalie Maines und Martie Maguire nennen sich nur noch «Chicks». Foto: Matt Sayles/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Denkmälern geht es an den Kragen, doch nicht nur denen aus Stein.

In der Debatte über Rassismus und Kolonialismus werden längst auch Symbole, Logos und alte Witze infrage gestellt. Bands ändern ihre Namen, Klassiker aus Film und Comedy kommen wegen ihrer Klischees auf den Prüfstand.

Die Countrypop-Band Dixie Chicks legte nun die Axt an ihren Namen an und strich kurzerhand das «Dixie» - eine Bezeichnung der US-Südstaaten, die noch aus der Zeit der Sklaverei stammt. Eine Begründung für den Schritt wurde zwar nicht geliefert, in einem zeitgleich veröffentlichen Musikvideo zeigen The Chicks, wie sich das Frauen-Trio nun nennt, Aufnahmen von Antirassismus-Demonstrationen.

Das Statement scheint klar. «Popmusik arbeitet besonders mit Symbolen», sagt Medienwissenschaftler und Popkulturexperte Mario Anastasiadis von der Universität Bonn. Der Bandname sei dabei ein zentrales Identifikationsmerkmal für Fans. «Die Änderung kann ein dramatischer Schritt in der Karriere von Musikern sein.» Aktuell sei dieser mit Blick auf die Black-Lives-Matter-Bewegung und die Reaktion der Regierung von Präsident Donald Trump vor allem symbolpolitisch.

Ebenso vor zwei Wochen: Da haben die US-Countrystars von Lady Antebellum etwas vom Namen abgeknapst und firmieren seither als Lady A. Mit dem lateinischen Begriff «ante bellum» («vor dem Krieg») wird sich in den USA auf die Zeit vor dem Bürgerkrieg (1861-1865) bezogen, als Sklaverei allgegenwärtig war. «Prominente springen jetzt auf mit übereindeutigen Statements», sagt Anastasiadis. «Sie gehen das Risiko ein, dass eine Änderung des Namens zu Kritik bei den Fans führen kann - bis hin zum Karriereknick.»

Die Ära der Südstaaten ist in den USA bis heute sinnprägend - auch in der Kultur. Bei den Demos gegen rassistische Diskriminierung fallen immer wieder die Symbole der weissen Mehrheitsgesellschaft aus der Kolonialzeit. Statuen von Südstaaten-Militärs werden von ihren Sockeln geholt.

Doch auch ideelle Denkmäler geraten nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd in den Fokus. Kürzlich etwa wurde das Südstaatenepos «Vom Winde verweht» vom Streamingdienst HBO Max zeitweise aus dem Programm gestrichen - wegen seiner Schönfärberei von Sklaverei und dem klischeebeladenen Bild von Schwarzen. Mittlerweile ist der Hollywood-Klassiker zwar wieder zu sehen, allerdings mit einordnenden Hinweisen zum historischen Kontext.

Und auch in Deutschland wird erneut gefragt, wie viel Rassismus in Alltag und Kultur zu finden ist - und womöglich ersetzt werden sollte. Schon vor Jahren stand das N-Wort für Schwarze etwa in Kinderbüchern wie Michael Endes «Jim Knopf» in der Kritik. Otfried Preussler stimmte einer Änderung des Wortes in seiner «Kleinen Hexe» zu, was damals bundesweite Debatten auslöste.

Selbst einer der bis heute erfolgreichsten deutschen Streifen mit Millionenpublikum kam 1985 nicht ohne Stereotype aus. In einer Szene des Klamauk-Streifens «Otto - der Film» verscherbelt der Protagonist einer älteren Dame an der Wohnungstür einen Schwarzen (gespielt von Günther Kaufmann). Auch das N-Wort fällt mehrfach. Eine Anhäufung von Klischees unter dem Deckmantel von Albernheiten. So einige dürfte der Humor aus 1980ern heute aufstossen.

Auch im Alltag begegnet man immer wieder belasteten Begriffen aus der Kolonialzeit - nicht selten zum Beispiel Apotheken mit dem Wort «Mohr» im Namen. In Frankfurt am Main entfernte eine Apotheke 2018 ihr Logo, das eine schwarze Frau mit Turban und grossen Ohrringen zeigte. Genauso jüngst in Wien: Eine Pharmazeutin verdeckte das diskriminierende Bild eines Schwarzen im Schaufenster ihrer «Mohren-Apotheke», eine Änderung des Namens soll folgen.

Der US-Lebensmittelgigant Pepsi gibt seiner 130 Jahre alten Marke «Aunt Jemima» einen neuen Anstrich. Das Maskottchen bisher: eine schwarze Frau als freundliche Dienerin. Einen Neustart soll es noch in diesem Jahr geben. Und auch der lächelnde Schwarze auf den Reispackungen von Uncle Ben's wird weiterentwickelt, um rassistische Vorurteile zu bekämpfen, so der US-Konzern Mars. Wie genau das geschehen soll, wurde aber noch nicht erklärt.

In Deutschland gerät mittlerweile zum Beispiel die Mohrenstrasse in Berlin in den Fokus. Zudem sollen im Stadtteil Wedding die an deutsche Kolonialherren erinnernde Bezeichnungen nach jahrelanger Diskussion ersetzt werden. Immer wieder gab es in der Vergangenheit auch Kritik am Emblem der Sarotti-Schokolade - ebenso an einem Mainzer Dachdeckerbetrieb namens Neger, der in seinem Firmenlogo ein Männchen mit dicken Lippen und riesigen Ohrringen zeigt.

In der Regel wurden solche Zeichen oder Namen mit Verweis auf die Tradition verteidigt. Ob ein solches Argument in der weltweiten Rassismus-Debatte von heute noch ausreicht, wird sich zeigen.

© dpa-infocom, dpa:200626-99-577619/3

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