Raubkunst unterm Christenkreuz

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Deutschland,

Im Humboldt Forum verweisen künftig Objekte auf koloniale Kapitel deutscher Geschichte. Der Streit um Raubkunst ist zentral für die Einrichtung im Herzen Berlins. Das Christenkreuz auf der Kuppel des Baus gilt vielen dabei eher als Ballast. Doch es gibt Bewegung.

Drei Raubkunst-Bronzen aus dem Benin in Westafrika. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Drei Raubkunst-Bronzen aus dem Benin in Westafrika. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Humboldt Forum in Berlin beflügelt schon vor seiner kompletten Eröffnung die Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit.

Vor allem die geplante Präsentation von Objekte aus Unrechtszusammenhängen ist umstritten.

Wohl auch deswegen scheint bei den Verantwortlichen viel Entgegenkommen spürbar.

Zentraler Akteur ist die Stiftung Preussischer Kulturbesitz mit zwei Museen im Humboldt Forum. Stiftungspräsident Hermann Parzinger zeigt sich offen für Rückgaben. «Auch wenn Objekte nicht in einem Unrechtskontext stehen, sagen wir: Wenn sie für die Kultur, für das Land ganz besonders wichtig sind, dann kann man auch darüber reden, dass man so etwas zurückkehren lässt», sagte Parzinger der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Das Humboldt Forum bietet aus seiner Sicht neue Gelegenheit für die Debatte. «Wir wollen uns mit unserer Geschichte einschliesslich der Kolonialzeit und der Entstehung der Sammlungen hier in der Mitte der deutschen Hauptstadt auseinandersetzen», sagte Parzinger. «Das neue Haus mit den drei historischen Fassaden provoziert ja gerade dazu.»

Das 677 Millionen Euro teure Zentrum für Kultur, Kunst und Wissenschaft nutzen neben der Stiftung das Land Berlin und die Humboldt-Universität. Gezeigt werden Exponate aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien sowie Objekte zur Geschichte Berlins. Das riesige Gebäude im Herzen Berlins steckt hinter der viel kritisierten rekonstruierten Fassade des Hohenzollernschlosses.

«Die Museen gehen sehr intensiv und aktiv mit dem Thema der kolonialen Vergangenheit ihrer Sammlungen um», sagte Parzinger. «Wir haben viele internationale Kooperationen, dazu ein grosses Digitalisierungsprojekt, bei dem sämtliche Erwerbungsakten des Ethnologischen Museums vom 19. Jahrhundert bis nach dem Zweiten Weltkrieg digitalisiert und online bereitgestellt werden.»

Umstritten ist etwa die Präsentation der Benin-Bronzen. Das Ethnologische Museum verfügt über rund 530 historische Objekte aus dem Königreich Benin, darunter etwa 440 Bronzen, die weitgehend als Objekte aus Unrechtskontexten kolonialer Zeiten gelten.

«Benin ist ein wichtiges Thema, das besprechen wir im Rahmen der Benin-Dialog-Gruppe gemeinsam mit anderen Museen, die Benin-Bronzen in ihren Sammlungen haben, und mit unseren Partnern in Nigeria und Benin-City selbst», sagte Parzinger. In Benin-City solle ein Museum errichtet werden. «Wir unterstützen das, etwa durch Leihgaben. Aber es muss auch zu Rückgaben kommen, da bin ich ganz sicher. Das muss auf Grundlage eines Dialogs geschehen, bei dem gemeinsam überlegt wird, welche Dinge sollten zurückkehren, welche hierbleiben.»

Kulturstaatsministerin Monika Grütters geht davon aus, dass die Kolonialismusdebatte weiter Fahrt bekommt. «Das Humboldt Forum ist zu einem Katalysator geworden und wird daran gemessen werden, wie es mit diesem Thema umgeht», sagte die CDU-Politikerin der dpa. «Es geht dabei auch um unser aller Glaubwürdigkeit. Denn die Herkunftsgesellschaften fragen zurecht danach, wie ernsthaft wir diesen Aspekt unserer Geschichte aufarbeiten.»

Grütters setzt auf einen offenen Prozess. «Wenn am Ende einer solchen Debatte etwa um die Benin-Bronzen Rückführungen stehen, könnten in den Ausstellungsräumen im Humboldt Forum Leerstellen bleiben, die den Besucherinnen und Besuchern diesen bisher vernachlässigten Teil unserer Geschichte vor Augen führen», sagte sie.

Grütters sieht die Debatte nicht durch den Bau hinter der Schlossfassade belastet. Auf der Kuppel mit Kreuz fordert ein Spruch die Unterwerfung aller Menschen unter das Christentum. Der Hamburger Geschichtsprofessor und Forum-Kritiker Jürgen Zimmerer twitterte über «bekömmliche Geschichtsklitterung» in «preussischem Disneyland».

«Eine Gruppe von Historikern hat sich intensiv mit dem Spruchband beschäftigt und sich dafür ausgesprochen, nicht nur die gesamte Fassade originalgetreu zu rekonstruieren», sagte Grütters. «Das ist keinesfalls eine Botschaft für die heutige Zeit.» Berlins Kultursenator Klaus Lederer erhofft sich Impulse für die Kolonialdebatte. «Das Humboldt Forum soll dauerhaften Anstoss erregen», sagte der Linke-Politiker der dpa. «Ich glaube, die Auseinandersetzung mit der Frage, wie eigentlich die Reichtümer und der kaiserliche Schatz zustande gekommen sind, ist eine, der man sich immer wieder aufs Neue zu stellen hat.» Auch die Frage, «warum eine demokratische Republik im Herzen Europas sich mit den Insignien des Gottesgnadentums auf einer Kulturinstitution von Bund und Ländern schmückt», werde hoffentlich weiterhin intensiv diskutiert.

«Wie für jede andere historische Epoche auch, ist hier eine Schlussstrichmentalität völlig unangebracht», sagte Lederer. «Das hat auch damit zu tun, dass die Kolonialismusdebatte lange Zeit vernachlässigt, auch bewusst verdrängt und weggeschoben wurde.» Nun gebe es erheblichen Nachholbedarf.

Generalintendant Hartmut Dorgerloh sieht das Humboldt Forum in der Pflicht. «Die Aufarbeitung des Kolonialismus ist ein klarer Auftrag», sagte er der dpa. «Wir müssen die Geschichten, die das Haus aussen von drei Seiten einschliesslich Kuppel und Kreuz erzählt, erklären und den offenkundigen Gegensatz von Barock und Beton nicht nur aushalten, sondern offensiv zum Thema machen. Insbesondere weil hinter den rekonstruierten Fassaden etwas ganz dezidiert anderes passiert.»

Dorgerloh sprach von Kolonialismus als Kernthema, «nicht nur die historische Phase des Kolonialismus, sondern auch die Frage: Wo sind die Folgen des Kolonialismus heute überall noch zu spüren in den Wirtschaftsverhältnissen, den politischen Verhältnissen, in Migrationsbewegungen, in Umweltproblemen, im Alltagsrassismus.» Die Ungleichheit auf der Welt sei nach wie vor mit Händen zu greifen.

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