«Shang-Chi» vereint Kampfkunst und Comicspektakel
Mit «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» bringen die Marvel Studios erstmals einen asiatischen Titelhelden ins Kino. Die Mischung aus Martial-Arts-Film und Marvel-Spektakel hat durchaus ihren Reiz.
Das Wichtigste in Kürze
- Man kann sich nicht aussuchen, wen man zum Vater hat.
Das musste schon Luke Skywalker schmerzhaft feststellen, als Darth Vader in «Das Imperium schlägt zurück» einen der berühmtesten Sätze der Filmgeschichte sprach: «Ich bin dein Vater.»
Ziemlich unglücklich über seinen Erzeuger ist auch der Titelheld aus «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings», dem neuen Film der Marvel Studios, die mit «Avengers», «Captain Marvel» oder «Black Panther» weltweit für klingelnde Kinokassen sorgten.
Undercover in San Francisco
Der chinesisch-kanadische Schauspieler Simu Liu spielt Shang-Chi, dessen Vater Wenwu (Tony Leung), auch bekannt als Manadarin, um die 1000 Jahre alt ist und ein gefürchteter Eroberer war. Dann verliebte er sich in Shang-Chis Mutter Jian-Li, die das Gute in ihm weckte. Doch seit deren gewaltsamen Tod ist Wenwu besessen von Rache. In Rückblicken wird gezeigt, wie er den jungen Shang-Chi zum Profikiller ausbildet. Der aber sagt sich von Wenwu los und verlässt China. In San Francisco lebt er unauffällig unter dem Namen Shaun und arbeitet mit seiner besten Freundin Katy (Awkwafina) als Parkplatzhilfe.
Eines Tages wird Shang-Chi im Bus von Schergen seines Vaters überfallen und zeigt - in einer spektakulären Actionszene - seine wahren Fähigkeiten. Den Angreifern gelingt es, ihm ein Amulett zu stehlen, das ihm seine Mutter geschenkt hat. Als Shang-Chi in Macau seine entfremdete Schwester warnen will, werden sie von Wenwu und dessen Soldaten überrascht. Die Familienreunion verläuft friedlich, bis der Vater seinen Plan offenbart. Er glaubt, dass Jian-Li noch am Leben ist, und in ihrem magischen Heimatdorf gefangen gehalten wird. Wenwu hat den geheimen Weg dorthin herausgefunden und plant mit seiner Armee einen Grossangriff. Shang-Chi will das verhindern.
Erster asiatischer Held im Marvel-Kosmos
Der 25. Film des Marvel Cinematic Universe (MCU) stellt erstmals einen asiatischen Helden in den Mittelpunkt. Witzigerweise hatte Titelheld Simu Liu das vor drei Jahren auf Twitter gefordert. Marvel-Boss Kevin Feige behauptet allerdings, den Tweet nie gesehen zu haben. Der in China geborene Kanadier Liu war in Europa bislang recht unbekannt. Er ist in diversen Kampfkünsten trainiert und war zunächst Stuntman, bevor er sich durch die kanadische Comedy-Serie «Kim's Convenience» eine Fangemeinde erspielte, die durch seine Aufnahme in das MCU nun deutlich wachsen dürfte.
«Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» ist eine Mischung aus Actionkomödie, Eastern und dem bekannten Marvel-Spektakel. Dazu gibt es Elemente des Wuxiá-Genres. Wuxiá-Filme, zu deren berühmtesten Vertretern der Oscar-prämierte «Tiger and Dragon» zählt, sind berühmt für kunstvolle, die Schwerkraft ignorierende Kampfszenen. Bei Shang-Chi werden solche Szenen und Martial-Arts-Kämpfe, wie man sie von Jackie Chan oder Jet Li kennt, mit zu vielen Spezialeffekten überfrachtet. Das nimmt ihnen die Kraft und lässt sie teilweise unnötig künstlich und weniger beeindruckend aussehen.
Wenig originelle Zutaten
«Shang-Chi» spielt amüsant mit asiatischen Klischees, während er rassistischen Stereotypen entgegenwirkt. Leider ist er voller langweiliger Hollywood-Klischees. Anders als bei den originellen Marvel-Hits «Ant-Man» und «Guardians of the Galaxy» zielen die Gags hier mehr auf Teenager ab. Die Pointe ahnt man meist vorher. Awkwafina ist wirklich witzig. Man wünschte nur, das Drehbuch hätte der Komikerin ein paar bessere Sätze zum Sprechen gegeben als «Heilige Scheisse!» oder «Moment! Was?».
Schade auch, dass die wunderbare Filmmusik von Joel P. West mit traditionellen chinesischen Elementen zu oft von penetranten Beats und Hip-Hop-Songs unterbrochen wird, die so gar nicht zu den Bildern passen wollen. Ein hippes Soundtrack-Album ist offenbar unabdingbar.
Zudem verschwendet Regisseur Destin Daniel Cretton («Just Mercy») unnötig viel Zeit auf ausführliche Rückblicke, die Tempo nehmen, ohne den recht eindimensionalen Figuren Tiefe zu geben. Erst das bombastische Finale mit Drachen und anderen Fabelwesen ist packend, wobei es ein leichtes Déjá-Vu mit «Das Imperium schlägt zurück» verursacht.
Tony Leung hat Charisma
Positiv zu erwähnen ist neben dem sympathischen Liu und der quirligen Akwafina der unglaublich charismatische Hongkong-Star Tony Leung, der in Klassikern wie «Bullet in the Head» oder «In the Mood for Love» glänzte. Neben Leung spielt einer von Asiens erfolgreichsten Export-Stars, Michelle Yeoh («James Bond - Der Morgen stirbt nie», «Star Trek: Discovery»), als Shang-Chis Tante mit. Kurzauftritte bekannter Figuren wie Wong (Benedict Wong), Abomination (Tim Roth) und Trevor Slattery (Ben Kingsley) sorgen für Schmunzeln. Aber «Shang-Chi» wäre vermutlich noch deutlich besser geworden, wenn er nicht so formelhaft dem Prinzip seiner MCU-Vorgänger folgen würde.
In der unvermeidlichen Mid-Credit-Sequence, der Szene inmitten des Abspanns, präsentiert Marvel wie üblich mit prominenten Figuren einen Cliffhanger für zukünftige Abenteuer. «The ten rings will return» heisst es. Wie schnell es die Fortsetzung gibt, entscheidet sich wohl auch an der Kinokasse. Volles Vertrauen zeigt Disney nach Corona noch nicht. Nur 45 Tage soll «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» in den Kinos laufen, bevor der Film auf der Streamingplattform veröffentlicht wird.
, USA 2021, 132 Min., FSK 12, von Destin Daniel Cretton, mit Simu Liu, Awkwafina, Tony Leung, Michelle Yeoh