Verletzlich und stark: Doppelalbum von Ellie Goulding
Das Wichtigste in Kürze
- Es liest sich wie ein Musikmärchen: 2009 wird die damals 22-jährige Elena Jane «Ellie» Goulding in einem britischen Pub entdeckt.
Wenige Monate später schon prognostiziert die BBC ihr den baldigen Durchbruch - und hat Recht.
2010 gewinnt Goulding ihren ersten Brit Award, ein Jahr später singt sie beim Hochzeitsempfang von Prinz William und Kate. Jetzt, zehn Jahre nach ihrem Debüt, hat die Britin ihr viertes Album «Brightest Blue» veröffentlicht.
Gouldings steiler Aufstieg, der mit dem Elton-John-Cover «Your Song» und dem ersten Album «Lights» beginnt, findet seinen Höhepunkt 2015 im «Fifty Shades of Grey»-Soundtrack «Love Me Like You Do». Die Ballade wird zum erfolgreichsten Titel einer britischen Solo-Sängerin seit 50 Jahren. Nebenbei schreibt die in der Nähe von Wales geborene Musikerin Songs für Kolleginnen, darunter das deutsche ESC-Wunder Lena Meyer-Landrut.
Vom Sound her zeigt sich Goulding immer wieder wandelbar. Nach ihrem Start als Folk- und Indiekünstlerin mischten sich schnell poppige Elektrobeats in ihre Stücke. Fünf Jahre nach ihrem Pop-Album «Delirium», das sie heute kritisch sieht, steht für die Britin wieder das Songwriting im Mittelpunkt.
Nicht umsonst besteht die neue Platte aus zwei Seiten. Auf den ersten zwölf Songs singt die 33-Jährige über ihre Verletzlichkeit und komplexe Beziehungen. Die fünf Titel der B-Seite «EG.o», die aus Duetten mit US-Künstlern wie Lauv oder dem vor einem halben Jahr gestorbenen Rapper Juice WRLD bestehen, strahlen Selbstsicherheit und Mut aus. Die Tracks dienen eher dem kommerziellen Erfolg und der Rotation im Radio. Als Künstlerin identifiziere sie sich weniger mit den Liedern, sagt Goulding.
Deshalb ist die A-Seite das Herzstück von «Brightest Blue». Die Songwriterin lässt sich dabei das ein oder andere Mal über die Männerwelt aus. In «Power» singt sie: «Dir geht es gar nicht um die Liebe, du willst einfach nur die Macht». In «How Deep Is Too Deep» geht es um Typen, die sich nicht binden wollen und immer wieder auf etwas Besseres hoffen. Und die Klavierballade «New Heights» soll Frauen darin bestärken, sich nicht für Männer zu verändern.
«Wir tendieren von Natur aus dazu, uns von unserem Partner beschützen zu lassen. Ich habe mittlerweile gelernt, diese unglaubliche Stärke in uns selbst zu finden», sagt Goulding im dpa-Interview. Nach Beziehungen mit Schauspieler Jeremy Irvine, DJ Skrillex, One-Direction-Sänger Niall Horan und dem McFly-Bassisten Dougie Poynter ist die sympathische Britin seit September verheiratet - mit dem Kunsthändler Caspar Jopling. Mit ihm verbrachte sie auch die Zeit des Corona-Lockdowns in der Nähe von London.
Mehr als zehn Jahre nach ihrem schnellen Aufstieg und mentalen Rückschlägen fühlt sich Goulding selbstbewusst genug, ihre Meinung deutlich kundzutun. Sie setzt sich für Klimaschutz und die «Black Lives Matter»-Bewegung ein - und für mehr Frauen in der Musikindustrie. «Es gibt noch immer diese unterschwellige Macht und viele Elemente, die von Männern dominiert werden», findet Goulding. «Ich schreibe meine Songs aus der Sicht einer Frau und fände es spannend, wie ein weiblicher Plattenfirmenboss darauf reagieren würde.»