Viele Beziehungskisten im neuen Zürich-Krimi
Borchert, der einst gestrauchelte Anwalt ohne Lizenz, ist in Zürich wieder unterwegs, um kleinen Leuten zur Gerechtigkeit zu verhelfen. Sein bester Freund kommt ihm dabei mal wieder in die Quere.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Herzenswärme des unkonventionellen Anwalts Thomas Borchert (Christian Kohlund) bekommt im neuen Zürich-Krimi selbst ein kleines Kriechtier zu spüren.
Borchert entdeckt es vor seinem Wohnwagen auf einem Blatt und lässt es mit sanften Worten in die Natur entfleuchen.
«Borchert ist halt ein einsamer Mensch», sagt der Schweizer Schauspieler der Deutschen Presse-Agentur. Zur gleichen Zeit nimmt das Drama an anderer Stelle in Zürich schon seinen Lauf: Der Vater von Borcherts Chefin Dominique Kuster (Ina Paule Klink) wird beim Überfall auf eine Apotheke angeschossen.
«Borchert und die bittere Medizin» (Donnerstag, das Erste, 20.15 Uhr) ist ein Drama um Drogen und junge Leute, eine einst verschmähte Liebe und eine junge Frau, die sich aus schwierigen Verhältnissen hochgekämpft hat und fast am Anfang einer Pharmaziekarriere steht.
Wenn da nicht der Überfall wäre. Sina Leuthold (Thekla Hartmann) ist als Praktikantin in der Apotheke und lässt abends den kreidebleichen Vater von Dominique Kuster, Reto Zanger (Robert Hunger-Bühler), rein, der dringend ein Medikament braucht. Sie vergisst, hinter ihm abzuschliessen. Dann kommt der Überfall. Noch schlimmer: Sie reisst dem Täter die Maske vom Gesicht und ist entsetzt.
Die Drehbuchschreiber mussten einige Zufälle bemühen, um das Beziehungsgeflecht zwischen Apotheker, Praktikantin und deren Familien herzustellen. Aber wie immer im Zürich-Krimi sorgen vor allem die menschlichen Bande zwischen Borchert, Kuster, Zanger und Polizeihauptmann Marco Furrer (Pierre Kiwitt) für Unterhaltung.
Furrer, mit Kuster liiert und gerade noch bei neckischen Spielchen mit ihr auf der Couch, springt nach einem Anruf auf und eilt zum Tatort. Der Hauptmann ermittelt tapfer, aber wie so oft in Konkurrenz zu Borchert. Einmal nutzt Borchert Kuster sogar als Ablenkungsmanöver, um unerlaubt in Furrers Büro Ermittlungsakten zu fotografieren.
Borchert und Dominiques Vater sind aus alten Zeiten beste Freunde, trotz Zangers oft skrupelloser Anwaltsmanier. Ganz anders Borchert, der immer ein Herz für kleine Leute hat. «Man darf seine Vorbelastung nicht vergessen: Er ist ein Anwalt, der sich früher einmal in Korruptionsgeschäfte hat reinziehen lassen und seine Lizenz verloren hat», sagt Kohlund. «Seine Aufgabe ist es, die wahren Schuldigen und die wahre Gerechtigkeit zu finden, nicht die juristische, und das ist ihm auf seine alten Tage wahnsinnig wichtig geworden.»
Als der Apotheker der Praktikantin fristlos kündigt, geraten Zanger als Anwalt des Apothekers und Borchert und Kuster als Anwälte der Praktikantin, die gegen die Kündigung vorgeht, vor Gericht aneinander. Ihre Karriere wäre mit dem Makel einer solchen Kündigung in Gefahr. Vor Gericht die überraschende Wende: Als die Praktikantin auch noch als Überfallbeteiligte und dann als Mörderin verdächtigt wird, ist Borchert als Anwalt der kleinen Leute in seinem Element.
Borchert, ein Gutmensch ohne Tadel? Nein, sagt Kohlund: «Er macht ja durchaus Dinge, die nicht erlaubt wären, schleicht sich ein, fotografiert Polizeiakten oder so. Aber er ist halt ein einsamer Mensch, der sich voll darauf konzentriert, möglichst menschlich den Idealismus wieder zu finden, den er als junger Anwalt einmal hatte.»
Nach Angaben von Kohlund werden beim Zürich-Krimi viele Szenen ohne eine einzige Probe gedreht. «Man kann auch mal in einem Raum gehen und einfach das machen, was man denkt, was für diese Figur jetzt wichtig ist», sagt er. Man höre auch ganz anders zu, weil man nicht genau wisse, was der andere macht. «In diesen Szenen kommen oft mal spontane Reaktionen, die die Kamera gut einfängt», sagt Kohlund. Die Kameras gehen sehr oft sehr nah ran und leuchten auch den letzten Bartstoppel im Gesicht noch aus.
Wie ein besorgter Vater legt Borchert der Praktikantin beim Verhör einmal beruhigend die Hände auf die Schulter. Sie ist aber nicht seine Tochter - darf er das trotzdem? «Natürlich ist jede Art von Übergriffigkeit verabscheuenswürdig», sagt Kohlund. «Aber wenn ich einen Klienten habe, der ausser sich ist, der unschuldig ist und dessen Unschuld ich beweisen will, da emotional die Hand auf die Schulter zu legen, um ihn zu beruhigen, das ist zutiefst menschlich. Wer darin etwas anderes sieht, hat selbst ein Riesenproblem.»