Wie der Kalte Krieg den Menschen zum Mond brachte
Das Wichtigste in Kürze
- Am 20.
Juli jährt sich die erste bemannte Mondlandung zum 50. Mal. Sie bildete das Finale eines beispiellosen Wettlaufs der Sowjetrussen mit den US-Amerikanern.
Beeindruckende Bilder aus jener Zeit bietet der grossformatige Band «Das NASA-Archiv». Mehr als 400 Fotos sowie zahlreiche Zitate und Dokumente veranschaulichen den Aufstieg der National Aeronautics and Space Administration, kurz Nasa, die 1958 ihren Betrieb aufnahm. Ziel war, die im Weltall auftrumpfenden Russen zu überflügeln.
«Wenige Jahre später hatte sich das Häufchen von Rocketmen, Technikern und Testpiloten, die schon früh von PR-Profis Unterstützung erhielten, zu einem führenden Technologieunternehmen und einer Mythenfabrik gemausert», schreibt der Technikjournalist Piers Bizony im Buch. «Astronauten wurden zu neuen Nationalhelden, und Programme wie Mercury, Gemini und schliesslich Apollo fesselten Millionen, lenkten vom atomaren Wettrüsten und kriegerischen Konflikten wie in Vietnam ab und machten Cape Canaveral zu einer nationalen Pilgerstätte.»
Koautoren Bizonys sind der frühere Nasa-Chefhistoriker Roger Launius sowie der Autor Andrew Chaikin («A Man on the Moon»). Zu Weltraumaktivitäten anderer Länder erfährt man abgesehen von einigen Informationen zu frühen sowjetrussischen Erfolgen kaum etwas. Bizony lässt keinen Zweifel, für wen sein Herz schlägt: «Die NASA ist die Speerspitze des menschlichen Forscherdrangs. Sie ist von allen Organisationen der Welt am besten gerüstet für die Erkundung des Alls, und ihre Aktivitäten weisen die grösste Vielfalt auf.»
Die ausgewählten Aufnahmen zeigen die faszinierende Technik der Raumfahrtmissionen und wichtige Pioniere der Ära: Astronauten, amerikanische Raketenpioniere wie Robert Goddard, den legendären Nasa-Administrator James Edwin Webb und den deutschen Raketenentwickler Wernher von Braun, der seine Ideen öffentlichkeitswirksam in Walt-Disney-Sendungen und Büchern zu platzieren wusste. Teils nie umgesetzte Entwürfe für Raumfahrzeuge und Raumanzüge sind zu sehen, Astronauten beim Üben der Wasserlandungen im Pool und die Menschen in den Kontrollzentren der Missionen.
Ein Foto zeigt den damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy, der mit seiner Frau Jacqueline vorm Fernseher den Start Alan Shepards im Mai 1961 beim ersten bemannten Mercury-Flug verfolgt. Kennedy habe sich lange kaum für Raumfahrt interessiert, dann aber nach politischen Niederlagen plötzlich als ihr Verfechter gelten wollen, heisst es im Buch. Der Weltraum habe die Möglichkeit geboten, Amerikas angekratzte Glaubwürdigkeit wieder herzustellen.
Kennedys Wunsch, einen Amerikaner auf dem Mond landen zu lassen, stiess in der Bevölkerung auf breite Zustimmung. Rasch hätten Astronauten ein Image als tapfere, gottesfürchtige, patriotische Persönlichkeiten mit liebenden Ehefrauen und Kindern bekommen. Als die «Besten der Nation», «moderne Ritter der Tafelrunde» im Kampf gegen das Schreckgespenst des kosmischen Kommunismus seien sie gesehen worden.
Auch Notsituationen werden im Buch thematisiert: Ed White, der bei einem Ausseneinsatz mit seinem aufgeblähten Anzug kaum mehr in das Raumfahrzeug zurückkommt. Die Explosion des Space Shuttles Challenger am 28. Januar 1986 kurz nach dem Start, die die Nasa viel Reputation kostete, weil Sicherheitswarnungen jüngerer Mitarbeiter im Vorfeld missachtet wurden.
Zur Mondlandung wird aus einer Rede von Neil Armstrong zitiert, der als erster Mensch einen Fussabdruck auf dem Mond hinterliess: «Wir haben am grössten friedlichen Konkurrenzkampf aller Zeiten teilgenommen: am Wettlauf ins All - die USA gegen die Sowjetunion», sagte dieser demnach beim Festakt zum 50. Jahrestag der Nasa. «Wie bei einem Krieg war es teuer. Wie bei einem Krieg wollte jede Seite geheimdienstliche Informationen darüber, was die andere Seite machte.»
Mitte der 1960er Jahre hätten die Atomarsenale auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs die Menschheit vollständig auslöschen können, und genau das habe man 1962 während der Kubakrise befürchtet, heisst es im Buch. Nach dem Rückzug der Supermächte aus dieser Pattsituation sei der Wettlauf im All, bei dem global weniger verhängnisvolle Konsequenzen drohten, zur Schaubühne für die Leistungen von Industrie und Technik geworden, ohne dass dabei Raketen mit nuklearen Sprengköpfen starteten.
Begleitend zur Nasa sei im Hintergrund allerdings auch ein Raumfahrtprogramm zum Sammeln nachrichtendienstlicher Informationen gelaufen, dessen Budget teilweise genauso gross oder sogar grösser war als das der NASA. «Diese Programme waren meist so geheim, dass sie im Kongress nicht offen besprochen werden konnten», so Bizony. «Erst jetzt, ein halbes Jahrhundert später, erkennen wir langsam ihr wahres Ausmass.»
«Das NASA-Archiv» macht bildstark nachvollziehbar, was für eine immense Faszination von den bestens finanzierten Raumfahrtprogrammen jener Zeit ausging. Es liefert einen Einblick in die von grosser Technik- und Fortschrittsgläubigkeit geprägten Jahrzehnte und verdeutlicht die immense Begeisterung nicht nur der US-Bürger für den Aufbruch ins All. Viele der gezeigten Bilder gehören zum kollektiven Kulturgut der Menschheit - ein Fussabdruck im Mondstaub, ein Astronaut neben der US-Flagge - andere dürften nur wenigen Raumfahrtenthusiasten bereits bekannt sein.
- Piers Bizony, Roger Launius, Andrew Chaikin: Das NASA-Archiv. 60 Jahre im All, Taschen Verlag, Köln, 2019, 468 Seiten, 100,00 Euro, ISBN 978-3-8365-7440-2.