Zum 50. Todestag: Picasso in Zeiten von #MeToo
Zum 50. Todestag von Pablo Picasso finden weltweit Ausstellungen statt. Doch kann man den berühmten Künstler noch so feiern wie vor der Zeit von #MeToo?
Das Wichtigste in Kürze
- «Dora und der Minotaurus» stammt aus dem Jahr 1936.
Es zeigt, wie das Monster mit dem Kopf eines Stiers und dem Körper eines menschlichen Wesens sich an einer Frau vergeht. In der griechischen Mythologie frisst das Monster Kinder, bei Picasso vergeht es sich an Dora Maar, seiner damaligen Muse und Geliebten. Sprüche des spanischen Künstlers wie «Für mich gibt es nur zwei Arten von Frauen: Göttinnen und Fussabtreter» würden heute, im Zeitalter von #MeToo, einen Sturm der Entrüstung auslösen.
Das Bild hat sich geändert
Picassos machistischer und sexistischer Umgang mit den Frauen ist bekannt. Zahlreiche Bücher und Artikel wurden darüber veröffentlicht. Doch seit der Entstehung der Bewegung #MeToo hat sich der Blick auf den spanischen Maler geändert. Man müsse sich fragen, wie man Picasso heute zeigen kann, sagt Cécile Debray, die Direktorin des Pariser Picasso-Museums.
Als sie ihr Amt antrat, stellte sie fest, dass Picassos Aura vor allem in akademischen Kreisen und bei der Jugend nachgelassen habe, sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Debray wurde Ende 2021 als Leiterin der Pariser Institution ernannt.
«Picasso hat nicht nur seine Männlichkeit zur Schau gestellt, sondern repräsentierte auch den Akt der Liebe, indem er seine Lebensgefährtinnen oft zum Modell genommen hat», erklärt sie. Er habe den Mythos des Minotaurus aufgegriffen und sexuelle Potenz inszeniert. Heute werde dieser biografische Aspekt in Frage gestellt. In Lyon gab es vor wenigen Wochen eine Konferenz zu dem Thema: Wie kann man Picasso heute zeigen?
Wie zahlreiche Museen feiert auch Debray in ihrem Haus den Todestag des Künstlers, der sich am 8. April zum 50. Mal jährt. Doch auf dem Programm stehen neben einer chronologischen Ausstellung seiner bedeutenden Arbeiten auch zwei Schauen zeitgenössischer Künstler. Sie sollen Picassos Werk neu interpretieren. Und so thematisiert die afroamerikanische Künstlerin Faith Ringgold unter anderem die Diskriminierung der schwarzen Frau, und Pierre Moignard setzt sich mit Picassos erotischen Zeichnungen auseinander.
Die Debatte um Picasso und sein Verhältnis zu den Frauen betreffe sie in doppelter Hinsicht, sagt Debray: als Vertreterin des weiblichen Geschlechts und als Kunsthistorikerin. «Ich verstehe die #MeToo-Bewegung, die in ihrer Haltung ideologisch ist.» Aber sie habe auch eine institutionelle Position zu verteidigen und die einer Kunsthistorikern.
Kubismus und Surrealismus
Der Spanier, am 25. Oktober 1881 in Málaga geboren und 91-jährig im südfranzösischen Mougins gestorben, nimmt in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhundert einen bedeutenden Platz ein. Er war Begründer des Kubismus und ein wichtiger Akteur des Surrealismus. Er hat ein umfangreiches Gesamtwerk aus Gemälden, Papierarbeiten, Skulpturen und Keramiken hinterlassen. Zu seinen bedeutendsten Arbeiten gehören die Gemälde «Les Demoiselles d’Avignon» und «Guernica».
Picassos Werk ist untrennbar mit seinen zahlreichen Frauen verbunden. Er stellte sie unzählige Male dar: Zu Beginn einer Beziehung in sanften Kompositionen, am Ende oft als verzerrte Figuren. Von den sieben Frauen, die offiziell sein Leben teilten, nahmen sich zwei das Leben, zwei wurden depressiv. Die einzige die es schaffte, ihn zu verlassen, war Françoise Gilot, die 1965 das Buch «Leben mit Picasso» veröffentlichte. Darin beschrieb sie ihn als einen launischen Mann, der jenen das Leben schwer machte, die es mit ihm teilten.
«Jedes Mal, wenn ich eine Frau wechsle, sollte ich die vorherige verbrennen. So wäre ich sie los. Sie wären nicht alle da, um mein Leben kompliziert zu machen», zitiert ihn die Kunsthistorikerin Julie Beauzac in ihrer 2019 gegründeten Podcast-Serie über Kunst und Feminismus «Vénus s'épilait-elle la chatte?» (Hat sich Venus die Muschi rasiert?).
Die Reflexion über Picasso und den feministischen oder femininen Blick auf seine Arbeit sei eine äusserst aktuelle Debatte, die nicht karikiert werden dürfe, erklärte im französischen Radiosender «France Info» der Direktor des Picasso-Museums in Barcelona Emmanuel Guigon. Dass Picasso Frauen gegenüber gewalttätig war, glaube er nicht. Dass er ein Mann seiner Zeit war, andalusisch, zweifellos sehr verführerisch, das verstehe sich von selbst.
Protestaktionen
Im Juni 2021 sorgten in dem spanischen Museum junge Kunststudentinnen für Aufsehen, die sich dort vor die Werke stellten mit T-Shirts, auf denen «Picasso, Frauen-Aggressor» zu lesen war. Seitdem organisiert Guigon vermehrt Workshops und Konferenzen, in denen das Werk des Künstlers neu beleuchtet wird.
Eine ähnliche Protestaktion fand 2018 auch im New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) statt. Die Performance-Künstlerin Emma Sulkowicz, für die Picasso in seinen kubistischen Gemälden den Frauenkörper zerstückelt, stellte sich halbnackt und am ganzen Körper mit Sternchen bemalt vor «Les Demoiselles d’Avignon».