Absurder Streit im Nationalrat um Gänsesäger und Graureiher

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

In der Debatte zum Jagdgesetz entbrannte eine Kontroverse, ob Graureiher und Gänsesäger auf der Roten Liste seien. Wer hat recht? Niemand!

Gänsesäger mit Küken
Ein Gänsesägerweibchen transportiert fünf Küken auf seinem Rücken. - Wikipedia/Quartl

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Nationalrat stritt sich darum, ob Gänsesäger und Graureiher auf der Roten Liste seien.
  • Zwar gab es unterschiedliche Antworten – falsch waren indes alle.

Wenn im Parlament das Jagdgesetz debattiert wird, liegt das Hauptaugenmerk jeweils auf dem Wolf. Aber auch bei anderen Grossraubtieren, dem Biber und vielen Vögeln waren Änderungen beantragt. Weil der Gänsesäger und der Graureiher Fische fressen, sollten sie vermehrt abgeschossen werden dürfen. Oder sind diese Arten so selten, dass sie gar auf der Roten Liste figurieren?

Selbst SP-Politiker uneins

Eigentlich eine einfache Frage, die Antworten fielen aber unterschiedlich aus. So fragte CVP-Nationalrat Fabio Regazzi den SP-Nationalrat Beat Jans: Sind diese beiden Vögel auf der Roten Liste?

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Sind der Graureiher und der Gänsesäger auf der Roten Liste? Zwei Mal hat CVP-Nationalrat Fabio Regazzi gefragt, mit zwei verschiedenen Antworten. - Parlamentsdienste

Regazzis Absicht war klar: Naturschützer Jans sollte bestätigen, dass dem nicht so sei – ergo auch die Abschuss-Kriterien gelockert werden können. Doch Jans verneinte und behauptete einfach das Gegenteil.

Zweiter Anlauf, andere Antwort

Regazzi hakte deshalb nach bei Umweltministerin Simonetta Sommmaruga – «fürs Protokoll». Und siehe da: Obwohl ebenfalls in der SP und vogelfreundlich eingestellt, gab Sommaruga ihm Recht. Gänsesäger und Graureiher seien beide nicht auf der Roten Liste. Wer hat hier nicht die Wahrheit gesagt?

Und warum schaut Nationalrat Regazzi nicht einfach selbst auf der Roten Liste nach, statt «im Protokoll»? Nau hat nachgeforscht. Und siehe da: Sowohl Gänsesäger wie auch Graureiher sind in der Liste «Brutvögel» aufgeführt. Sind sie also «auf der Liste»?

Graureiher Neeracherried
Ein Graureiher jagt im Neeracherried ZH. In den Bündner Alpen wurden offenbar viele Exemplare der Art illegal abgeschossen. - Keystone

Knifflig selbst für Experten

Die Antwort der Ornithologen lautet: Es ist kompliziert. Denn jeder Vogel ist zwar in der Liste, aber jeder erhält auch einen Gefährdungsstatus von «ausgestorben» bis «nicht bedroht». Der Graureiher hat den Status «nicht bedroht». Das ist ja etwa so, wie wenn man auf der Liste der Abschlussprüflinge mit «nicht bestanden» aufgeführt wird.

Der Gänsesäger hingegen hat den Status «gefährdet». Und das will dann etwas heissen. Lies: Der Graureiher ist nicht «auf» der Roten Liste, der Gänsesäger schon. Was dann aber auch heisst: Alle Politiker hatten nicht recht.

Entspannen dürfen sich deshalb nur die beiden Vögel: Den Passus mit der Abschussbewilligung für diese beiden Arten hat der Nationalrat nämlich gestrichen. Warum auch immer.

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