Afghanistan: Mysteriöser Schweizer Armeeeinsatz in Kabul

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Ein Detachement der Schweizer Armee befindet sich in Kabul. Es soll helfen, lokale afghanische Mitarbeiter der DEZA zu evakuieren.

Ignazio Cassis Afghanistan
Bundesrat Ignazio Cassis nimmt Stellung zur aktuellen Lage in Afghanistan, am Montag, 16. August 2021 in Bern. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Detachement der Schweizer Armee ist in Kabul eingetroffen.
  • Es soll bei der Evakuierung von lokalen Mitarbeitern aus Afghanistan helfen.
  • Über die Bewaffnung schweigt der Bundesrat «aus Sicherheitsgründen».

Kurz bevor die Taliban auch die afghanische Hauptstadt Kabul einnahmen, hat das Aussendepartement von Bundesrat Ignazio Cassis die Reissleine gezogen. Die sechs Mitarbeiter der Deza vor Ort wurden ausgeflogen. Rund 40 langjährige lokale Mitarbeitende und ihre Familien erhalten ein humanitäres Visum. Diese könnten als Kollaborateure des feindlichen Westens betrachtet und verfolgt werden.

Danzi Gattiker Leu Afghanistan
Patricia Danzi, Leiterin der DEZA, Mario Gattiker, Staatssekretär für Migration, und EDA-Staatssekretärin Livia Leu, von links, äussern sich zu der sich zuspitzenden Lage in Afghanistan und den Konsequenzen für die Schweiz, am Freitag, 13. August 2021 in Bern. - Keystone

Es soll sich um rund 230 Personen handeln. Doch diese stecken nun in Kabul fest, weshalb nun das VBS die Evakuierungspläne mit Elitesoldaten unterstützt. Deren Einsatz war vorerst streng geheim, viel mehr als die Existenz des Detachements der Schweizer Armee wollte zunächst niemand bestätigen. Auf Anfrage verweisen sowohl das VBS wie auch die Armee selbst auf das EDA.

Via Usbekistan nach Kabul

Ursprünglich hiess es beim EDA nur: «Das VBS unterstützt gemäss Entscheid des Bundesrates das EDA bei der Evaluation und Vorbereitung verschiedener Evakuations-Optionen mit Spezialisten der Armee. Zu diesem Zweck wurde ein Detachement der Schweizer Armee nach Taschkent (Usbekistan) verlegt. Aus Sicherheitsgründen geben wir dazu keine weiteren Details bekannt.» Zahlreiche Fragen blieben offen, denn ein solcher Auslandeinsatz muss strenge Kriterien erfüllen.

Wie Aussenminister Ignazio Cassis nach der Sitzung des Bundesrats bestätigte, sind die Schweizer Elitesoldaten unterdessen in Kabul eingetroffen. Etwas mehr ins Detail geht an der Medienkonferenz EDA-Botschafter Hans-Peter Lenz, Leiter der Krisenzelle Afghanistan. «Es sind keine Büroleute», meinte Lenz lakonisch, «es sind Spezialkräfte».

Diese hielten sich im gesicherten militärischen Raum des Flughafens auf. Der Auftrag laute, sich ein Bild der Lage zu verschaffen und mit den zuständigen militärischen Einheiten Kontakt aufzunehmen.

Zugang und Sicherheit für Deza-Mitarbeiter

«Möglichkeiten absprechen mit den Amerikanern, wie wir unsere Leute im Nord-Gate reinbringen», erläuterte Lenz. Es gehe um Listen und Namen: «Da kommt nicht einfach jemand rein der sich nicht ausweisen kann, da werden strenge Sicherheitskontrollen gemacht.» Nebst dem Zugang zum Flughafen gehe es um die Organisation von Plätzen in Militärflugzeugen, oder, falls wieder möglich, zivilen Chartermaschinen.

Flugzeug Bundeswehr Kabul
Passagiere in einem Flugzeug der deutschen Bundeswehr auf dem Flughafen in Kabul, Afghanistan, am Dienstag 17. August, während der Evakuation von deutschen Staatsbürgern und lokalen Mitarbeitern Deutschlands. - Keystone

Das Timing sieht Lenz als grosse Herausforderung: Wann kommt der Flieger, wie bringt man die lokalen Mitarbeiter rechtzeitig und geschützt auf den Flughafen. Aussenminister Cassis bestätigt, dass es für diesen Einsatz einen Entscheid des Gesamtbundesrats brauchte. Die Nachfrage, ob die «Spezialkräfte» bewaffnet seien, will er erneut «aus Sicherheitsgründen» nicht beantworten.

Parlament über Einsatz von Elite-Einheit informiert

Vor rund einem Jahr gab es bereits Pläne des Bundesrats, bis zu zehn Elitesoldaten nach Afghanistan zu schicken. Damals ging es noch um den Schutz der Schweizer Mitarbeiter im Kooperationsbüro der Deza. Zwar hätte der Bundesrat einen solchen kleinen Einsatz in Eigenregie beschliessen können. Doch das Parlament muckte auf, die Aussenpolitische Kommission wollte informiert werden, das Projekt versandete.

Infrage gekommen wären damals laut «Tages-Anzeiger» Angehörige des Aufklärungsdetachements AAD 10 oder des Militärpolizei-Spezialdetachements. Beim jetzigen Einsatz ist die Aussenpolitische Kommission APK jedenfalls mit an Bord. «Wir wurden umfassend informiert», bestätigt FDP-Ständerat Damian Müller, Präsident der APK-Ständerat, auf Anfrage.

Damian Müller Tiana Moser
FDP-Ständerat Damian Müller (links) und GLP-Nationalrätin Tiana Moser, die Präsidenten der beiden Aussenpolitischen Kommissionen (APK). - Keystone

Gemäss Parlamentsgesetz seien die APK-Präsidenten – nebst Müller also auch glp-Nationalrätin Tiana Moser – zusätzlich informiert worden. Inwiefern der Einsatz mit anderen Ländern oder den Taliban abgesprochen ist, ob die Schweizer Soldaten bewaffnet sind: Auch Damian Müller verrät nichts. Das AAD 10 ist auf Einsätze im Ausland ausgerichtet, insbesondere auch auf die Rettung aus Krisengebieten.

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