Böse Menschen enteignen: Wer wollte da dagegen sein?
Die gesperrten Oligarchen-Gelder auf Schweizer Bankkonten sollen der Ukraine zugutekommen. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Verschiedene Seiten fordern, gesperrte Gelder russischer Oligarchen zu enteignen.
- Damit soll der Wiederaufbau der Ukraine finanziert werden.
- Mehr als nur ein naheliegender Reflex? Ein Kommentar.
Der neuste Stand datiert noch aus dem November 2022: 7,5 Milliarden Franken hat die Schweiz im Rahmen der Sanktionen gegen Russland gesperrt. Insgesamt haben Schweizer Banken russische Vermögen von 46 Milliarden Franken gemeldet. Womöglich wäre da noch mehr Geld zu holen, denn die Schweizerische Bankiervereinigung selbst schätzt, dass sie russische Vermögen von 150 bis 200 Milliarden Franken verwaltet.
Milliarden abzugeben, müssen abgeholt werden
Der Reflex, diese schöne Bescherung denjenigen zukommen zu lassen, die aktuell im ukrainischen Winter frieren, ist nichts als naheliegend. Oder, vielleicht, nicht gerade jetzt, weil: Jetzt ist ungünstig. Aber allerspätestens dann, wenn der Ukraine-Krieg vorbei ist und alle Menschen zur Vernunft gekommen sind.
Der US-Senat hat einem solchen Vorgehen bereits zugestimmt. Aussenminister Ignazio Cassis will derweil in der Schweiz erst noch die rechtlichen Grundlagen dazu schaffen. Die EU versucht dies seit Monaten.
Den eher linken Politikern ist das Ansinnen sympathisch: Mit dem Geld böser Menschen wird Gutes getan, und zwar dalli. Nicht so wie bei Diktatorengeldern, bei denen es oft Jahrzehnte dauert, bis geklärt ist, dass die Diktatorengelder Diktatoren gehörten. Den eher rechten Politikern graust davor, dass der Schweizer Finanzplatz danach mit abgesägten Hosen dastehen könnte.
Klar, kann man machen
Eine bestechende Methode: Die Bestrafung der Übeltäter mit ihren eigenen Mitteln. Ähnliche Ansätze gibt es bereits, wie etwa der damalige Bürgermeister der litauischen Hauptstadt Vilnius 2001 demonstriert. Artūras Zuokas stieg dazu eigens vom geliebten Velo auf eine Dreckschleuder um. Und überfuhr mit einem Schützenpanzer eine der notorisch falschparkenden Luxuskarossen in seiner Stadt.
In die gleiche Sparte fällt die Überlegung, Rasern ihr Auto wegzunehmen und vor ihren Augen den getunten Ausbund an Männlichkeit der Schrottpresse zuzuführen. Kann man machen, bis man merkt, dass ein verkaufter BMW M3 deutlich mehr wert ist als ein verklumpter. Abgesehen davon, dass er dem Onkel gehört(e). Bis man merkt, dass der Panzer-Gag nur eine PR-Aktion im Wahlkampf war.
Oligarch ist ein dehnbarer Begriff
Doch bei Oligarchen-Geldern hört der Spass auf, möchte man meinen. Bis man merkt, dass die Millionen aus dubiosen Geschäften mit Infrastrukturbauten auf der Krim-Halbinsel auf einem Konto in der Karibik liegen.
Wem das Geld in der Schweiz genau gehört – den Kindern, den betrogenen Zulieferern, der verschandelten Natur – müsste man zuerst klären. Bis man merkt, dass da eine Person zu viel sanktioniert wurde, eine andere aber vergessen ging: Wo ist da die viel beschworene Gerechtigkeit unter Mitgliedern solch ehrenwerter Gesellschaften?
Jetzt müssen Sie stark sein
Jetzt denken Sie sicher: Das tönt jetzt aber schon fast wie kindischen Einwände. Wie das schlechte Gewissen von Tommy und Annika, als Pippi Langstrumpf den Seeräubern einfach ihr Schiff wegnahm. Geben Sie es zu, genau das haben Sie jetzt gedacht.
Doch: Diese haben es ja auch nur jemandem geklaut, findet Pippi. Sie wird dann in der Zeitung ein Inserat aufgeben, damit es die ursprünglichen Besitzer abholen kommen.
Wie gesagt: Kann man machen – wenn man das stärkste Mädchen der Welt ist. Und keine Angst hat, mit abgesägten Hosen dazustehen.
Ja, schon klar: Bei Pippi sind es verschiedenfarbige, gestrapste Kniestrümpfe, nicht Hosen. Aber ich wollte ja jetzt nicht, dass Sie sich den Aussenminister in Kindermode der 40er-Jahre vorstellen. Wirklich, ganz sicher nicht.