Bundeshaus-Evakuierung: Behörden stellen sich der Kritik
Die Evakuierung des Bundeshauses gestern Nachmittag sei gefährlich abgelaufen, kritisiert ein Betroffener. Die Zuständigen wollen die Abläufe evaluieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach der gestrigen Evakuierung des Bundeshauskomplexes wird Kritik am Vorgehen laut.
- Drei Bundesbehörden sind dafür zuständig – in zwei von drei Fällen lief alles reibungslos.
- Man wolle die Konzepte künftig evaluieren und gegebenenfalls anpassen, so die Behörden.
Ein Unbekannter mit Schutzweste, ein verdächtiges Fahrzeug auf dem Bundesplatz, Sprengstoffspuren und ein Grosseinsatz der Kantonspolizei: Gestern überschlugen sich die Ereignisse in der Bundesstadt. Letztlich mussten Parlamentsgebäude, sowie die Bundeshäuser Ost und West evakuiert werden.
Auch Ständerat Andrea Caroni musste das Parlamentsgebäude notfallmässig verlassen. Der Appenzeller ist überzeugt, dass das Evakuierungssystem überarbeitet werden müsse. Gegenüber «RTS» spricht er von einer «bizarren» Situation.
Demnach hätten die Menschen das Parlamentsgebäude durch Drehtüren verlassen müssen – ein gefährlicher Flaschenhals. Doch auch nach Verlassen der Räumlichkeiten hätten sich die anwesenden Parlamentarier alles andere als sicher gefühlt: «Als alle draussen waren, haben wir uns zusammen auf dem Platz versammelt, ohne jeglichen Schutz. Das wäre das ideale Szenario für einen Angriff auf alle Anwesenden gewesen.»
Unterschiedliche Zuständigkeiten
Diese Aussagen werfen zahlreiche Fragen auf: Die Evakuierung wirkt auf den ersten Blick tatsächlich etwas ungeschickt. Nau.ch hat bei den zuständigen Behörden nachgefragt, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Die Evakuierungsplanung für den Bundeshauskomplex liegt nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundesamtes für Polizei (Fedpol). Zwar sei die Sicherheit der Parlamentarier Aufgabe des Fedpol. Die Bundesbehörde nehme bei den Evakuierungsplänen aber lediglich eine beratende Funktion ein, heisst es auf Anfrage. Die Pläne würden in Absprache mit Fedpol und weiteren Sicherheitsexperten von den jeweiligen Hausherrinnen erarbeitet.
Folglich sind im vorliegenden Fall gleich drei unterschiedliche Bundesbehörden zuständig: Die Bundeskanzlei für das Bundeshaus West, die Parlamentsdienste für das Parlamentsgebäude und das VBS für das Bundeshaus Ost.
Zweimal hui, einmal pfui?
Nach dem gestrigen Vorfall gehen die zuständigen Behörden über die Sicherheits-Bücher: Auf Anfrage teilen sie mit, dass man das Konzept gemeinsam mit dem Fedpol analysieren werde. Nachbearbeitungen würden nach jedem Ereignis stattfinden. Gleichzeitig betonen sie jedoch, dass es noch zu früh sei, um das Konzept grundsätzlich infrage zu stellen.
Renato Kalbermatten, Kommunikationschef des VBS, betont, dass man die Situation differenziert betrachten müsse. Das Bundeshaus Ost sei nämlich lehrbuchmässig evakuiert worden. Nach einem Alarmsignal hätten sich alle Anwesenden zu den geöffneten Ausgängen begeben, wo sie von Fedpol-Mitarbeitenden in Empfang genommen wurden. Anschliessend habe man unter Überwachung der Sicherheitsbeamten die Sammelplätze aufgesucht.
Ähnliche Töne stimmt auch Bundesratssprecher und Vizekanzler André Simonazzi an. Die Evakuierung im Bundeshaus West sei ebenfalls konform verlaufen: Nach der Alarmierung hätten alle Anwesenden das Gebäude planmässig verlassen.
Zur Kritik vonseiten des Parlamentariers konnten sich weder Kalbermatten, noch Simonazzi äussern: Caroni beziehe sich auf die Räumung des Parlamentsgebäudes, nicht aber auf diejenige der restlichen Gebäude des Bundeshauskomplexes. Für die Evakuierung des Parlaments seien die Parlamentsdienste zuständig, so Kalbermatten und Simonazzi.
Parlamentsdienste wollen Abläufe analysieren
Karin Burkhalter, Ressortleiterin Information bei den Parlamentsdiensten, hält sich ihrerseits bedeckt: Über Inhalte von Evakuierungsplänen und weitere sicherheitsrelevante Details könne keine Auskunft gegeben werden. Überdies betont Burkhalter, dass regelmässige Evakuierungsübungen abgehalten werden, an denen auch der National- und Ständerat teilnehmen.
Auf die Kritik von Ständerat Caroni geht sie indes nicht im Detail ein – gleichzeitig betont die Kommunikationsverantwortliche: Man werde die Abläufe gemeinsam mit dem Fedpol «zeitnah analysieren und erkannte Verbesserungen in die Wege leiten». Noch sei es allerdings zu früh, um Schlussfolgerungen zu ziehen.
Unterschiedliche Lösungen für verschiedene Szenarien
Schliesslich betont Burkhalter, dass die Kantonspolizei für Sicherheitsmassnahmen ausserhalb der Gebäude zuständig sei. Die Kapo bestätigt diese Aussage – im Prinzip: Mit der genauen Auswahl der Sammelplätze und der Verschiebung zu denselben sei ebenfalls die für die Evakuierung zuständige Behörde betraut.
Laut der Bundeskanzlei seien für verschiedene Gefahrenszenarien unterschiedliche Lösungen definiert. Simonazzi geht davon aus, dass die Evakuierung nach einer Lageeinschätzung durch die Sicherheitskräfte erfolgt sei. Hätte vor dem Gebäude eine akute Gefahr bestanden, wären die Anwesenden wohl nicht ins Freie geschickt worden.