Coronavirus: BAG lässt Kinder ab 10 über Impfung entscheiden
Noch dürfen sich Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nicht gegen das Coronavirus impfen lassen. Eine neue BAG-Empfehlung sorgt nun aber für Diskussionen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Impfung gegen das Coronavirus ist ab 16 respektive 18 zugelassen.
- Swissmedic prüft derzeit ein Zulassungsgesuch des Pfizer-Stoffes ab 12 Jahren.
- Das BAG hat eine Weisung für die Impfeinwilligung bei unter 18-Jährigen verschickt.
Zuerst war es die Waadt, danach folgten auch die bevölkerungsreichsten Kantone Bern und Zürich. Immer mehr Kantone zünden den Turbo und lassen 16- respektive 18-Jährige gegen das Coronavirus impfen.
Für Jüngere sind die Vakzine von Moderna (ab 18) und Pfizer/Biontech (ab 16) noch nicht zugelassen. Letztere haben jedoch ein Zulassungsgesuch für das Impfen ab 12 Jahren bei Swissmedic eingereicht.
Auch das Bundesamt für Gesundheit BAG befasst sich mit der Frage, wie das Impfen der Jüngsten vonstattengehen soll. So kursiert derzeit ein BAG-Brief in den sozialen Medien, der heikle Fragen aufwirft.
Dürfen sich 10-Jährige ohne Ja der Eltern gegen Coronavirus impfen lassen?
Adressaten: Die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), die Ärztegesellschaften, medizinische Fachgesellschaften und viele weitere. Inhalt: Die Impfeinwilligung bei unter 18-Jährigen.
Bei einer erweiterten Alterszulassung stelle sich die Frage, ob die Einwilligung durch Eltern oder Erziehungsberechtigte notwendig sei, schreibt das BAG. Entscheidend ist die Urteilsfähigkeit einer Person, ob sie sich gegen das Coronavirus impfen lassen kann.
Brisant ist dabei die Altersgrenze, die das BAG im Brief formuliert. «Als Regel wird davon ausgegangen, dass eine echte Zustimmung bis 10 Jahre unmöglich erscheint.» 10- bis 15-Jährigen könne die Fähigkeit «nach und nach zugestanden werden». Ab 15 Jahren könne die Urteilsfähigkeit vermutet werden.
Der springende Punkt: Erst wenn ein Kind oder ein Jugendlicher urteilsunfähig ist, müssen Eltern oder Erziehungsberechtigte ihre Einwilligung geben. Mit anderen Worten: 10-Jährige dürften sich auch gegen den Willen der Eltern gegen das Coronavirus impfen lassen.
BAG stützt sich auf Gesetzesartikel
Auf Nachfrage von Nau.ch argumentiert das BAG mit der Verletzung der körperlichen Integrität. Diese liegt etwa bei einer Operation oder eben Impfung gegen das Coronavirus vor. Die Einwilligung für diese Verletzung könne nur gültig gegeben werden, «wenn die betreffende Person urteilsfähig ist».
Die urteilsfähige Person sei alleine berechtigt, einer solchen Verletzung zuzustimmen, auch wenn sie gesetzlich unmündig, also unter 18, ist.
Das Bundesamt stützt sich bei seiner heiklen Einwilligungs-Empfehlung auf das Schweizerische Zivilgesetzbuch. Unter Artikel 16 wird die Urteilsfähigkeit definiert.
Der Terminus «Kindesalter» sei «auslegungsbedürftig», so die BAG-Sprecherin. «Dabei wird auf eine starre Grenze hinsichtlich des Alters verzichtet. Massgeblich ist die individuelle Fähigkeit im konkreten Fall.»
Ethik-Professorin: Impfen entgegen Willen der Eltern denkbar
Ob sich also bereits eine 10-Jährige auf eigenen Wunsch impfen lassen kann, ist also nicht per se gegeben. Das Kind oder der Jugendliche müsse die Tragweite des Eingriffs durch eine Impfung schliesslich abschätzen können, so das BAG.
Ethik-Professorin Nikola Biller-Andorno mahnt, dass die Urteilsfähigkeit im Einzelfall überprüft werden müsse. Eine feste Altersgrenze gibt es gemäss der Direktorin des Instituts für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte an der Universität Zürich nicht.
Sie hält es dennoch für denkbar, dass sich Kinder ab 10 Jahren entgegen dem Willen der Eltern impfen lassen können. Die Ethikerin beruhigt jedoch, dass Gesundheitsfachpersonen wann immer möglich mit Eltern das Gespräch suchen. «Und auf einen Konsens zielen.»
Auch das BAG nimmt hier die impfenden Ärztinnen und Ärzte in die Pflicht. Diese seien verpflichtet, den Patienten über eine Impfung aufzuklären.