Coronavirus: Breiter Jubel über Masken-Fall – ausser bei Läden
Die breite Lockerung der Massnahmen gegen das Coronavirus kommen bei Politik und Verbänden gut an. Nur der öffentliche Verkehr zeigt sich unzufrieden.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat hat die Masken- und Zertifikatspflicht fast überall aufgehoben.
- Dieser Entscheid kommt fast überall gut an.
- Im öffentlichen Verkehr zeigt man sich unzufrieden und befürchtet eine geringe Akzeptanz.
Der Detailhandel atmet auf: Die Maskenpflicht fällt ab Mitternacht auch in den Läden. Der Verband «Swiss Retail Federation» begrüsst den heutigen Entscheid, wie er in einer Medienmitteilung schreibt. Angesichts der sinkenden Fallzahlen und der Entlastung der Spitäler habe sich diese Lockerung aufgedrängt.
Die Geschäfte würden die übrigen Schutzmassnahmen eigenverantwortlich aufrechterhalten, wie der Verband schreibt. Er empfiehlt ausserdem dem Ladenpersonal im Kundenbereich weiterhin eine Maske zu tragen. Die Arbeitgeber sollen diese zur Verfügung stellen. Doch das Motto laute nun: «Freiwilliges Maskentragen als neue Normalität.»
Stellvertretend sagt Lidl Schweiz auf Anfrage dazu, man werde den Mitarbeitenden weiterhin gratis Hygiene- oder sogar FFP2-Masken anbieten. Auch Plexiglasscheiben, Desinfektionsständer, Bodenmarkierung und Durchsagen würden erst in einem zweiten Schritt entfernt.
Die Schweizer Bar und Club Kommission schrieb erleichtert: «Streams und virtuelle Clubwelten ersetzen nie die Quintessenz der Nacht, in der es um soziale Nähe und um physisch wahrnehmbare Musik geht». Und Hotelleriesuisse freute sich vor allem über die Erleichterungen bei der Einreise: Das werde die Branche insbesondere in städtischen Regionen helfen.
Parteien begrüssen Lockerungen
SP und FDP haben die vom Bundesrat beschlossenen Aufhebungen der Massnahmen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie begrüsst. Gleichzeitig richten sie den Blick nach vorne und fordern von Bund und Kantonen eine bessere Vorbereitung auf künftige Wellen oder Pandemien.
Die FDP verlangt, dass der Bundesrat und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) «zwingend Lehren aus den Geschehnissen der letzten zwei Jahren» ziehen muss, wie sie mitteilte. Nur so könne verhindert werden, dass die gemachten Fehler wiederholt würden.
In die gleiche Richtung äussert sich auch GLP-Präsident Jürg Grossen auf Twitter: Die Lockerungen seien richtig, nun müssten die Vorbereitungen für den Herbst beginnen.
Mit Blick auf den Herbst fordert die SP die Kantone auf, sich bereits jetzt vorzubereiten, die Reservekapazitäten in Spitälern aufzubauen, Schutzkonzepte für die Schulen auszuarbeiten und die Test- und Impfmöglichkeiten sowie die psychologische Unterstützung sicherzustellen. Zudem brauche es ein Monitoring für Long Covid.
Auch die SVP begrüsst, «dass der Bundesrat die meisten Corona-Massnahmen – insbesondere die diskriminierende Zertifikatspflicht – endlich aufhebt.» Doch sei aus Sicht der Partei auch die Maskenpflicht im ÖV per sofort aufzuheben. Denn offensichtlich habe sie sowie das Zertifikat die Verbreitung des Coronavirus nicht verhindert.
«Völlig unverständlich» sei, dass der Bundesrat an der besonderen Lage festhalte. Diese sei durch nichts zu rechtfertigen und müsse per sofort aufgehoben werden. Und schliesslich fordert die SVP «eine lückenlose Aufarbeitung der Corona-Politik des Bundesrates. Dieser habe damit einen immensen Schaden angerichtet.
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) spricht von «einem Sieg der Vernunft und des beharrlichen Drucks der Wirtschaft». Mit seinem Entscheid sei der Bundesrat «auf den Pfad der evidenzbasierten Politik» eingeschwenkt. Die besondere Lage müsse jedoch bereits Ende Februar aufgehoben werden. «Es ist Freedom Day und das Land braucht dringend und schnell wieder die Normalität zum Wohl von Gesellschaft und Wirtschaft», hiess es.
Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) fordert nach dem Entscheid des Bundesrats eine Aufgabenteilung zur weiteren Bewältigung der Pandemie zwischen Bund und Kantonen. Denn die Pandemie sei noch nicht vorbei.
Gastrosuisse erleichtert über Aufhebung der Zertifikatspflicht
Gastrosuisse ist erleichtert über die Aufhebung der «schädlichen Zertifikatspflicht». Der aktuelle Entscheid des Bundesrates sei ein grosser Schritt zurück in die Normalität. «Die Freude in der Branche ist riesig, endlich wieder alle Gäste bedienen zu dürfen», liess sich Gastrosuisse-Präsident CasimirPlatzer in einer Medienmitteilung vom Mittwoch zitieren.
Die wirtschaftliche und personelle Lage im Gastgewerbe bleibe aber weiterhin ernst. Der Verband spricht von einem wirtschaftlichen Schaden von über 20 Milliarden Franken.
Auch die Schweizer Nachtkulturunternehmen sind erleichtert über die Aufhebung der Zertifikatspflicht, die eine grosse wirtschaftliche Einschränkung gewesen sei. Es sei ist unklar, wie schnell das Publikum wieder in die Clubs zurückkehren werde, heisst es in der Medienmitteilung weiter. Um Konkurse im Nachgang der Pandemie zu vermeiden, brauche es jetzt bei den Kantonen Tempo und eine Umsetzung der neuen Härtefallverordnung mit Augenmass.
«Wir sind froh, dass sich eine Normalisierung der Lage abzeichnet. Insbesondere sind wir froh für unsere Kunden aus der Gastronomie, die immer wieder stark von der Pandemie betroffen waren», schreibt auch Feldschlösschen auf Anfrage.
Die Mitarbeitenden würden mit dem Wegfall der Homeoffice-Empfehlung nun mehrheitlich wieder zurück an den Arbeitsplatz kommen. «Dass wir uns wieder vermehrt auch vor Ort sehen ist wichtig», kommentiert Mediensprecherin Gabriela Gerber.
Kritik gegen Aufhebung der Maskenpflicht in Läden
Die SP zeigt sich aber nicht zufrieden mit Aufhebung der Maskenpflicht in den Einkaufsläden. Es sei klar, dass die Pandemie noch nicht vorbei sei. Auch mit den Lockerungsschritten dürften die vulnerablen Personen nicht vergessen werden, die sich nicht impfen lassen könnten. Deshalb sollte die Maskenpflicht in den Einkaufsläden beibehalten werden, solange die Fallzahlen so hoch seien.
Auch Grünen-Präsident Balthasar Glättli äussert sich dazu kritisch: «Zum Schutz besonders Vulnerabler hätte die Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen oder zumindest in Läden des täglichen Bedarfs beibehalten werden müssen», schreibt er auf Twitter.
Wenig Begeisterung im öffentlichen Verkehr
Es werde nicht einfach sein, die Ausnahmeregelung der Maskentragpflicht im öffentlichen Verkehr durchzusetzen, sagte Ueli Stückelberger, der Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV), nach dem Entscheid des Bundesrats auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Sie akzeptierten den Entscheid und versuchten, ihn bestmöglich umzusetzen. Doch sie befürchteten, dass die Akzeptanz für die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr abnehmen könnte.
Für sie wäre es ideal gewesen, wenn die Massnahmen überall gleichzeitig aufgehoben worden wären. Denn die Sonderlösung im öffentlichen Verkehr sei nun viel schwieriger zu kommunizieren. Deshalb hofften sie, dass die Ausnahmeregelung wenigstens nicht all zu lange andauern werde.
Auch auf der kritischen Seite steht weiterhin die Juso. Es gebe keine Notwendigkeit, alle Massnahmen auf einen Schlag aufzuheben. «Diese Strategie ist für die JUSO zu riskant.»