Coronavirus: Haben wir den Omikron-Höhepunkt überwunden?

Miguel Pereiro
Miguel Pereiro

Bern,

In den letzten Wochen kam es in der Schweiz zu Millionen von Ansteckungen mit dem Coronavirus. Die Fachleute von BAG und Bund ordnen die aktuelle Lage ein.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Zahl der Neuinfektionen und Hospitalisationen sind rückläufig.
  • Der Höhepunkt der Omikron-Welle dürfte damit bereits hinter uns liegen.
  • Die Corona-Experten von BAG & Co. informierten am wöchentlichen Point de Presse.

Die Omikron-Welle scheint gebrochen. Seit dem Rekord von über 48'500 Infektionen am 24. Januar ist die Zahl der Neuinfektionen wieder leicht gesunken. Auch bei den Hospitalisationen liegt der Höchstwert bereits über einen Monat zurück.

Letzte Woche hat der Bundesrat die Massnahmen gelockert. Weitere oder sogar alle verbleibenden Corona-Regeln könnten bereits nächste Woche fallen. Am «Tag der Freude», wie Bundespräsident Ignazio Cassis ihn nannte, gab es viel Lob für die Öffnungs-Strategie.

Coronavirus
Bundespräsident Ignazio Cassis, Mitte, spricht an der Seite von Bundesrat Alain Berset, links, und Vizekanzler Andre Simonazzi, Bundesratssprecher, rechts, während der Medienkonferenz über die neusten Entscheide des Bundesrates zur Coronavirus-Pandemie, am 2. Februar 2022. - Keystone

Es gibt allerdings weiterhin kritische Stimmen. Politikerinnen und Experten warnen vor der Gefahr durch Long Covid.

Die Taskforce, die seit Wochen ihre Kommunikation heruntergefahren hat, geht davon aus, dass sich in den letzten drei Wochen rund ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung mit dem Coronavirus infiziert habe. Neurowissenschaftler Dominique de Quervain, der nicht mehr in der Taskforce sitzt, plädiert für eine langsame Lockerung. Denn es sei noch unklar, wie viele der Millionen Omikron-Infizierten an Long Covid leiden werden.

Im Zentrum des heutigen Point de Presse standen der Peak der Omikron-Welle und Long Covid.

Dies sind die wichtigsten Punkte:

- Die Omikron-Welle hat gemäss Virginie Masserey, Leiterin der Sektion Infektionskontrolle BAG, wohl ihr höchstes Niveau erreicht. Wichtig sei, dass die Spitaleintritte nicht anstiegen. Auf den Intensivstationen bleibt die Zahl der Covid-Patienten derzeit bei rund 200 stabil.

- Laut Rudolf Hauri, Zuger Kantonsarzt, besteht Verbesserungspotenzial im Umgang mit Langzeitfolgen bei Covid-Erkrankungen. Aus Sicht der Kantone sei insbesondere wichtig, zu klären, welche Angebote es in der Schweiz für Betroffene gebe und ob diese richtig seien. «Die Thematik muss in der Öffentlichkeit an Gewicht gewinnen.»

- Long Covid zu erkennen sei schwierig, so Linda Nartey, Leiterin Direktionsbereich Prävention und Gesundheitsversorgung BAG. Oft würden Symptome am Anfang nicht ernst genommen. Betroffene litten unter Atemprobleme, Kurzatmigkeit, Erschöpfung, Schmerzen, Kopfschmerzen und Konzentrationsprobleme. Sie könnten einzeln oder zusammen auftreten.

Coronavirus
Milo Puhan, Direktor des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, Universität Zürich spricht an einem Point de Presse zur Coronavirus Situation, am 7. Februar 2022, in Bern. - Keystone

- Langzeitfolgen einer Corona-Infektion betreffen laut einer neuen Zürcher Studie rund ein Viertel aller Infizierten. Drei von hundert Personen leiden sechs Monate nach einer Ansteckung noch sehr stark. Dies erklärte Milo Puhan, Direktor des Instituts für Epidemiologie der Uni Zürich. Gemäss der Studie sei zwar nach einem weiteren halben Jahr bei vielen Personen eine Erholung sichtbar, so Puhan. Zahlreiche Menschen seien aber auch nach einem Jahr noch weit von ihrem einstigen Gesundheitszustand entfernt.

- Puhan betonte, man wisse noch zu wenig, wie sich die Omikron-Variante auf Long Covid auswirke. Nehme äusserte die Vermutung, dass die milderen Symptome der neuen Variante auch zu einer Reduktion der Long Covid-Fälle führen könnte.

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Mayssam Nehme, Klinikleiterin im Departement der Abteilung allgemeine Medizin am Universitätsspital Genf HUG, am Point de Presse am 8. Februar 2022. - Keystone

- «Es leiden viel mehr Personen als erwartet an Long Covid», so Mayssam Nehme vom Universitätsspital Genf. Das Spital hat die interaktive Plattform «Rafael» für einen Informationsaustausch zu Long Covid entwickelt. Das Spital will damit die Betroffenen besser begleiten können.

- Derzeit sind 340 Armeeangehörige im Einsatz bei der Pandemie-Bewältigung. Doch der Bedarf sinke, erklärte Oberst im Generalstab Flavien Schaller. Die bewilligten Einsätze endeten voraussichtlich am 19. Februar.

Hier finden Sie das Protokoll der Medienkonferenz:

15.07: Ob der Peak wirklich vorbei ist, könne man aus epidemiologischer Sicht immer erst im Nachhinein sagen, so Masserey. Der Rückgang könnte auch nur ein temporärer Effekt sein.

15.02: Die Daten zur Übersterblichkeit des Bundesamtes für Statistik und des BAG gehen auseinander, weshalb? Es gebe mehrere Möglichkeiten, so Masserey. Menschen könnten wegen Covid-19 gestorben sein, ohne getestet worden zu sein. Die Methodik der Bundesämter seien nicht gleich, sie würden sich ergänzen. Sie würden alleine nicht die komplette Wahrheit zeigen, aber helfen, die Lage einzuschätzen.

Man werde in den nächsten Jahren dazu mehr erfahren, das BfS mache dazu genauere Untersuchungen.

15.00: Mit den Lockerungen wolle man die einschränkenden Massnahmen aufheben, so Masserey. Das heisse nicht, dass man alle Empfehlungen streichen werde.

14.58: Der nächste Point de Presse werde erst nach der Kommunikation des Bundesrates am Mittwoch nächster Woche erfolgen. Darüber ob der Point de Presse auch weiterhin stattfinden werde, werde man informieren, wenn man mehr wisse, so Andreas Ledergerber, Informationsbeauftragter der Bundeskanzlei.

14.55: Praktisch alle aktuell hospitalisierten Personen hätten sich mit der Omikron-Variante infiziert, so Masserey. Auch bei den IPS nehme der Omikron-Anteil zu, im Vergleich zu Delta. Das Risiko einer IPS-Einweisung sei bei Omikron geringer.

14.53: Auch im Spital in Genf gebe es noch keine Zahlen zu Long Covid und Omikron. Da die Symptome meist milder ausfallen würden als bei Delta, erwarte man aber auch weniger Long Covid-Fälle, so Nehme.

14.51: Die Plattform Altea sei viersprachig, Rafael soll noch übersetzt werden. Die Plattformen seien also nicht spezifisch für Zürich und Genf, sondern für die ganze Schweiz da, betont Puhan.

Coronavirus Long Covid
Das Long Covid Netzwerk Altea gibt es seit dem 16. April 2021. - Altea Netzwerk

14.50: Hochgerechnet auf die vielen Infizierten seien extrem viele Menschen von Long Covid betroffen, so Puhan.

14.47: Leiden Geimpfte weniger unter Long Covid? Und wie sieht es aus mit Omikron? Zu Omikron wissen man noch nichts, so Milo Puhan. Es sei noch zu früh.

Es gebe Hinweise, dass eine Impfung präventiv das Risiko reduziere. Das Ausmass sei mit den Studien nicht zu quantifizieren. «Das Risiko ist aber nicht vom Tisch mit der Impfung.»

14.45: Die Fragerunde beginnt. Ob ein Register die richtige Form sei, um Informationen zu gewinnen, werde in Arbeitsgruppen evaluiert, so Nartey. Sie gehe davon aus, dass in den nächsten Wochen und Monaten der Weg feststehen werde, wie bezüglich Long Covid vorgegangen werden soll.

14.40: Flavien Schaller, Kommando Operationen der Schweizer Armee, informiert über die laufende Operation im Rahmen der Pandemie. Es zeichne sich aktuell ein starker Rückgang an Bedürfnis der Armee-Unterstützung ab. Die Armee sei noch in fünf Kantonen im Einsatz: Bern, Freiburg, Genf, Jura und Wallis.

Coronavirus
Flavien Schaller am Point de Presse. - Youtube/BAG

Es seien noch 360 Angehörige im Einsatz. In der nächsten Woche werde sich die Zahl auf etwa 130 reduzieren. Aktuell rechne man mit dem Abschluss aller Leistungen bis zum 19. Februar. Die Armee bleibe bis Ende März noch einsatzbereit, da weitere Unterstützungsanfragen nicht ausgeschlossen werden können.

14.35: Nun spricht der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung leide über längere Zeit unter gravierenden Symptomen. Gerade weil nicht zuverlässig abgeschätzt werden können, wie viele Personen in Zukunft unter Long Covid leiden werden, müsse der Thematik besonderes Interesse gewidmet werden.

Es gelte zu prüfen: «Haben wir ein ausreichendes Angebot? Und haben wir die richtigen Angebote?»

oberster kantonsarzt
Rudolf Hauri ist Oberster Kantonsarzt von Zug und Präsident der Kantonsärzte-Vereinigung. - Keystone

14.29: Nehme stellt die neue Plattform «Rafael» des Genfer Spitals vor, die Patienten und Angehörige begleiten soll. Ein zentrales Element sei der Chatbot, der die Antworten auf die Fragen liefern soll. Falls der Bot keine Antwort liefern könne, soll sich ein Spezialist innert 24 Stunden um das Anliegen kümmern.

14.24: Mayssam Nehme, Klinikleiterin im Departement der Abteilung allgemeine Medizin am Universitätsspital Genf HUG, spricht über die Genfer Studie.

Bei rund 36 Prozent der Betroffenen hätten sich die Long Covid-Symptome nach einer Corona-Impfung gebessert. Die Impfung helfe also auch gegen Long Covid.

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Mayssam Nehme, Ärztin Innere Medizin am Universitätsspital in Genf. - BAG

14.19: Die Good News sei: Nach einem Jahr würden sich einige Personen von Long Covid erholen. Allerdings treffe dies längst nicht auf alle zu.

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Symptome bis 1 Jahr nach Corona-Infektion. - Youtube/BAG

Für die Betroffenen sei es wichtig, sich informieren zu können und sich mit anderen Betroffenen und Experten austauschen zu können.

Derzeit würden in rund 100 Therapiestudien eine grosse Bandbreite an Behandlungsmethoden untersucht. Nur ein Drittel widme sich der medikamentösen Behandlung. Der Rest betreffen auch Themen wie Ernährung oder wie Betroffene lernen können, ihren Alltag besser zu bewältigen.

14.13: Milo Puhan, Direktor des Instituts für Epidemiologie der Uni Zürich, spricht über den Verlauf von Long Covid. In der Schweiz gebe es zwei Kohortenstudien, eine aus Zürich und eine aus Genf.

Milo Puhan
Der Epidemiologe Milo Puhan an einer Medienkonferenz zum Coronavirus. - Screenshot YouTube

Rund 25 Prozent der Personen würden nach 6 Monaten weiterhin Symptome zeigen. Die meisten hätten zwar nur eine leichte Beeinträchtigung. Doch immerhin 7 Prozent müssten mit schwereren Symptomen leben.

Nach 12 Monaten nehme die Zahl der Betroffenen ab. Eine Person von Hundert leide weiterhin sehr stark, drei weitere stark.

14.08: Linda Nartey spricht nun über Long Covid, einer Erkrankung über die wir noch zu wenig wüssten. Nach bisherigen Schätzungen könnte bis zu jeder fünften mit dem Coronavirus infizierten Person darunter leiden, auch in der Schweiz.

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Linda Nartey an einem Point de Presse des BAG. - keystone

Das Erkennen und Anerkennen der Krankheit sei ein wichtiger Schritt. Doch derzeit sei es für Betroffene nicht immer einfach, das Erkennen der Krankheit nur schwer möglich. Die geschaffenen Plattformen könnten jedoch wichtige Hilfestellung liefern.

14.02: Virginie Masserey beginnt mit den neuesten Corona-Zahlen. Die Spitaleinweisungen seien stabil geblieben bei zwischen 100 und 150 am Tag. Die Belastung in den Spitälern sei weiterhin hoch. Auf den Intensivstationen würden vor allem ungeimpfte Delta-Patienten liegen. Die fünfte Welle habe nun also wahrscheinlich das höchste Niveau erreicht.

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Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle BAG, am Point de Presse vom 7. Dezember 2021. - Keystone

Die Stagnation zeige sich allerdings auch bei den Impfungen. Eine Umfrage des BAG habe allerdings eine hohe Bereitschaft für die Booster-Impfung gezeigt, so Masserey.

Folgende Fachleute nahmen teil:

- Linda Nartey, Leiterin Direktionsbereich Prävention und Gesundheitsversorgung, Bundesamt für Gesundheit BAG

- Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle, Bundesamt für Gesundheit BAG

- Corinne Zbären, Stv. Leiterin Geschäftsfeld Invalidenversicherung, Bundesamt für Sozialversicherungen BSV

- Flavien Schaller, Oberst i Gst, Kommando Operationen, Armee

- Rudolf Hauri, Kantonsarzt Zug, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte VKS

- Mayssam Nehme, Cheffe de clinique, Département de médecine de premier recours, Hôpitaux Universitaires Genève HUG

- Milo Puhan, Direktor des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, Universität Zürich

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