Coronavirus: ÖV-Branche macht Druck auf den Bundesrat
Der öffentliche Verkehr steht wegen des Coronavirus praktisch still. Nun drängt Branchenchef Ueli Stückelberger auf eine Öffnung – wenn nötig mit Schutzmasken.
Das Wichtigste in Kürze
- Der öffentliche Verkehr in der Schweiz kam aufgrund des Lockdowns praktisch zum Erliegen.
- Nun macht die Branche Druck auf den Bundesrat, die «Stay-at-home»-Empfehlung zu lockern.
- Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands des öffentlichen Verkehrs, erklärt die Gründe.
Leere Züge, stillstehende Seilbahnen, verlassene Bahnhöfe. Der Lockdown hat den öffentlichen Verkehr in der Schweiz praktisch zum Erliegen gebracht. Die Branche hat die Massnahmen mitgetragen, SBB & Co. haben den Fahrplan reduziert.
Nun soll der Betrieb wieder hochgefahren werden. Ab 11. Mai wird der Fahrplan wieder ausgebaut. Ueli Stückelberger, der Direktor des Verbands des öffentlichen Verkehrs (VöV), vertritt die Transportunternehmen der Schweiz. Von SBB, über BLS bis zur Rhätischen Bahn. Im Interview geht er jetzt in die Offensive.
Nau.ch: Herr Stückelberger, gestern trafen Sie mit Vertretern der Tourismusbranche die Bundesräte Berset, Parmelin und Sommaruga. Wie lief das Treffen?
Ueli Stückelberger: Die Gespräche waren konstruktiv. Die Aussicht, dass im Sommer einiges mehr möglich wird, ist gerade für den touristischen Teil der ÖV-Branche essenziell. Hierzu braucht es nun einen klaren Fahrplan.
Nau.ch: Was ist denn konkret das Hauptanliegen der Unternehmen des öffentlichen Verkehrs?
Ueli Stückelberger: Für die Transportunternehmen ist die «Stay-at-home»-Empfehlung des Bundesrats natürlich Gift. Die Massnahme war im März wohl nötig und wurde auch von uns mitgetragen. Nun erwarten wir aber vom Bundesrat, dass er diese Empfehlung überdenkt und zu gegebener Zeit anpasst.
Nau.ch: Wie kann der Bundesrat der Branche denn unter die Arme greifen?
Ueli Stückelberger: Es geht darum, das Vertrauen in den öffentlichen Verkehr und den Tourismus wiederherzustellen. Die Landesregierung muss der Bevölkerung bald klar kommunizieren: Ja, ihr dürft wieder bedenkenlos Züge, Busse, Schiffe, Trams und Seilbahnen benutzen.
Nau.ch: Welchen Zeithorizont erachten Sie diesbezüglich als realistisch?
Ueli Stückelberger: Wir gehen davon aus, dass ab dem 8. Juni langsam, aber sicher eine gewisse Normalität – mit Auflagen - in den öffentlichen Verkehr zurückkehrt. Dazu gehört auch der touristische Verkehr. Doch schon im Hinblick auf die Öffnung der Schulen am 11. Mai muss das Bewusstsein reifen, dass Transportmittel sicher benutzt werden können. Empfehlungen von Unternehmen an die Mitarbeitende, das Auto zu benutzen, sind natürlich deplatziert und schaden dem Klima. Wir brauchen den ÖV, denn Mobilität ist die Grundvoraussetzung für eine Öffnung der Wirtschaft.
Nau.ch: An der Homeoffice-Empfehlung wollen Sie aber vorderhand nicht rütteln?
Ueli Stückelberger: Die Berufspendler im Dienstleistungssektor sind wohl die letzten, die wieder in den Normalbetrieb zurückkehren. Die Transportunternehmen haben definitiv kein Interesse an einer zweiten Welle.
Nau.ch: Ist eine strikte Maskenempfehlung aus Ihrer Sicht eine Option?
Ueli Stückelberger: Sagen wir es so: Ich sehe lieber volle Züge, in denen Menschen Masken tragen, als leere Züge. Wenn diese Schutzmassnahme den Leuten die Angst vor dem öffentlichen Verkehrt nimmt, ist das definitiv eine Option.
Nau.ch: Wo sehen Sie sonst noch neue Massnahmen, um das Reisen sicherer zu machen?
Ueli Stückelberger: Vor allem touristische Unternehmen, die jetzt stillstehen, arbeiten mit Hochdruck an entsprechenden Konzepten, um wieder öffnen zu können. Die grosse Frage für die gesamte Branche ist: Wie funktionieren wir, wenn wieder mehr Menschen auf engem Raum sind? Ich bin überzeugt, wir werden diese Frage bald beantworten können.