Dachverband nimmt Politik bei Lehrermangel in die Pflicht

Miguel Pereiro
Miguel Pereiro

Bern,

Die Politik gestehe endlich den Mangel an Lehrpersonen ein. Nun müsse sie auch endlich handeln, fordert Franziska Peterhans vom Dachverband LCH.

Lehrermangel
Ein leeres Klassenzimmer in Suhr AG im Juni 2018. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz fehlen seit Jahren Lehrer und die Lage spitzt sich immer weiter zu.
  • Der Lehrerverband fordert die Politik auf, endlich zu handeln.
  • Es brauchte bessere Arbeitsbedingungen, mehr Lohn und Investitionen in die Ausbildung.

Die Vorbereitungen des nächsten Schuljahres laufen auf Hochtouren. Die Schulleitungen müssen nicht nur die Schülerinnen und Schüler angemessen auf die oft überfüllten Schulhäuser verteilen. In den verbleibenden drei Monaten müssen noch Hunderte offene Stellen besetzt werden. Allein im Kanton Bern fehlen noch über 500 Lehrpersonen.

Der Lehrermangel war absehbar, besteht bereits seit Jahren und spitzt sich auch immer weiter zu. «Die Politik ist gefordert», sagt Franziska Peterhans, Zentralsekretärin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH.

Lehrermangel LCH
Franziska Peterhans ist seit 2006 Zentralsekretärin des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH und damit auch leitendes Mitglied der Geschäftsleitung. - LCH

Die Folgen würden die Kinder bereits zu spüren bekommen. «Schulen streichen teilweise Lektionen in Fächern, bei denen die Eltern nicht gleich auf die Barrikaden gehen. Meist trifft es Bildnerisches Gestalten, Musik oder Werken», so Peterhans.

«Unausgebildete Lehrer unterrichten nach dreistündigem Kurs»

Ausserdem würden vielfach unausgebildete «Lehrpersonen» eingesetzt. «Manchmal steht eine Person nach einem dreistündigen Kurs bereits vor einer Klasse. Das ist katastrophal, denn die Qualität der Lehrpersonen ist eines der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Faktor für den Bildungserfolg der Kinder.»

Man müsse bei den Arbeitsbedingungen, den Löhnen und der Ausbildung ansetzen, fordert die LCH-Zentralsekretärin. Die Lehrpersonen klagten über Probleme an vielen Fronten: Die Arbeitszeiten seien wegen der vielen unbezahlten Überstunden zu hoch, die Klassen zu gross, die Infrastruktur teils mangelhaft – die Löhne hingegen zu tief. Gerade nach der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie werde es vielen zu viel.

«Der Beruf muss attraktiver gemacht werden. Neben den vielen Aussteigern verlassen viele frisch ausgebildete Lehrpersonen den Beruf bereits in den ersten Jahren nach dem Einstieg. Sie stehen gleich von Beginn an voll in der Verantwortung und sind mit der Situation oft überfordert. Es braucht einen begleiteten Berufseinstieg», so Peterhans.

Oberster Schulleiter will Ausbildung für Quereinsteiger fördern

Der oberste Schulleiter Thomas Minder fordert eine grössere Durchlässigkeit für Menschen im mittleren Berufsleben. Damit Quereinsteiger sich für eine Lehrer-Ausbildung entscheiden, müsse diese jedoch auch finanziell attraktiv sein. «Generell müssen wir uns überlegen, wie die Ausbildung der Lehrpersonen verändert und dem Zeitgeist angepasst werden soll.»

Thomas Minder
Thomas Minder, Präsident des Verbands Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz VSLCH. - zVg

Auch er nimmt die Politik in die Pflicht. Die Reglemente, wie die Ausbildung zu erfolgen habe, kämen schliesslich von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK.

Berner Bildungsdirektion: «Fachkräfte fehlen überall»

Die Bildungsdirektion des Kantons Bern fügt eine Reihe an weiteren Massnahmen an, die sie bereits ergriffen habe: Bessere Begleitung beim Berufseinstieg, Aufrufe an Pensionäre und Kulturschaffende, Einsatz von Studenten, eine Gehaltsverbesserung und eine Imagekampagne. Auch das berufsbegleitende Studium an der PH Bern werde laufend optimiert.

Christine Häsler Kanton Bern
Regierungsrätin Christine Häsler, Bildungs- und Kulturdirektorin des Kantons Bern. - be.ch

Die Bildungsdirektion verweist auch darauf, dass in der Schweiz ein genereller Fachkräftemangel existiere. Dies erschwere eine zusätzliche Rekrutierung aus anderen Branchen.

«Politiker schauen immer nur auf das Jahresbudget»

Um die notwendigen Massnahmen umzusetzen, brauche es finanzielle Mittel, sagt Peterhans. «Doch die Politiker richten ihren Blick immer nur auf das Jahresbudget. Da scheint es ihnen natürlich besser, wenn die Löhne der Lehrpersonen tief gehalten werden. Ein fataler Fehler!»

Bildung
Die Schweiz schneidet bei den Bildungsausgaben im europäischen Vergleich schlecht ab. - LCH

Immerhin gebe es nun deutliche Anzeichen, dass die Bildungsdirektionen das Problem erkannt haben. «Lange Zeit negierten die meisten den Mangel an Lehrpersonen. Doch nun haben etwa die Kantone Bern, Zürich und Solothurn jeweils eine Taskforce einberufen.»

Soll die Politik mehr Geld für die Bildung ausgeben?

Dies sei auch dringend nötig. Der Anteil der total unausgebildeten Lehrpersonen betrage derzeit zwar nur wenige Prozent. «Doch wenn es Ihr Kind trifft, wird es zu 100 Prozent von einer unausgebildeten Person unterrichtet», schliesst Peterhans ab.

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