Lehrermangel: Pensionierte sollen zurück an die Schulen
Der akute Lehrermangel hat sich dieses Jahr weiter zugespitzt. Die Kantone setzen vermehrt auf Studierende sowie pensionierte und unausgebildete Lehrer.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Kantone Bern und Zürich suchen drei Monate vor Schulbeginn noch Hunderte Lehrpersonen.
- Es werden nun vermehrt auch unausgebildete Personen eingesetzt.
- Allerdings verschärft dies das Problem, sagt der oberste Schulleiter Thomas Minder.
Seit Jahren kämpfen die Schulleitungen jeden Frühling mit ein und demselben Problem. Sie finden nicht genügend Lehrpersonen, um alle offenen Stellen zu besetzen. Das Erstaunliche daran: Der Mangel an Lehrpersonal kommt nicht überraschend und wird dennoch immer grösser.
Thomas Minder ist der Präsident des Verbands Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz VSLCH und kennt die Problematik nur allzu gut. «Der Mangel an Lehrpersonen ist immens. Und er hat sich seit letzten Sommer erneut verschärft.»
Hunderte unbesetzter Stellen in Zürich und Bern
Im Kanton Zürich gebe es zur Zeit hunderte unbesetzte Stellen. Auch in der Ostschweiz habe sich die Problematik gemäss Minder manifestiert. Und im Kanton Bern fehlen aktuell über 500 Lehrpersonen, wie die Sprecherin der Bildungs- und Kulturdirektion, Iris Frey, auf Anfrage mitteilt. «Die Situation rund um den Mangel an Lehrpersonen ist angespannter als in den Vorjahren», bestätigt auch sie.
«Der Mangel an Lehrpersonal ist schon lange absehbar», so Minder. «Viele Personen der Baby-Boomer-Generation gehen in Pension. Grosse Jahrgänge sind jetzt im Kindergarten oder in der 1. und 2. Klasse. Ausserdem sind die Jahrgänge, die jetzt um die 20 Jahre alt sind, klein. Das ist demografisch eine äusserst ungünstige Konstellation.»
Unausgebildete Lehrer verschärfen die Situation
Der Kanton Zürich habe als Gegenmassnahme die Anstellungsbedingungen gelockert. Nun dürfen auch Personen ohne Lehrbefähigung unterrichten. Minder begrüsst und fordert gar, dass der Quereinstieg in den Lehrberuf attraktiv gemacht wird. Doch die Situation in den Zürcher Schulen ist für ihn problematisch, auch wenn sie kurzfristig die vielen Vakanzen löse.
«Personen ohne Ausbildung und Unterrichtsbefähigung brauchen Betreuung von Kolleginnen und Kollegen und der Schulleitung. Die nicht vorhandene Ausbildung muss durch das Schulsystem vor Ort kompensiert werden, was viele Ressourcen bindet.
Wie der Langzeiteffekt sein wird, ist schwierig abzuschätzen», so Minder. Die Ausbildung der Personen «on the job» statt an der pädagogischen Hochschule sei nicht fundiert und übertrage ihnen sofort die Verantwortung.
Bern umwirbt Pensionierte, Kulturschaffende und Studierende
Auch der Kanton Bern hat bereits Massnahmen in diese Richtung ergriffen. Es seien etwa Aufrufe bei Pensionierten und Kulturschaffenden gestartet worden, um diese an die Schulen zu locken. Ausserdem setze man Studierende bereits zum Unterrichten ein.
Iris Frey listet weiter auf: «Zudem wurde eine Gehaltsverbesserung für die Primarstufe umgesetzt, das berufsbegleitende Studium an der PH Bern laufend optimiert, eine Imagekampagne durchgeführt und weitere Unterstützungsangebote an der PH Bern wurden ausgebaut.»
Zusammenfassend sagt Frey: «Es braucht genügend junge, ausgebildete Lehrpersonen.» Die Anzahl Studierenden steige an der PH Bern derzeit auch stark an. Doch der aktuelle Bedarf werde auch so im Moment nicht abgedeckt.