Wem nützt ein höherer Kinderabzug bei der Bundessteuer? Vor allem jenen, die ohnehin genug haben, sagt die SP. Es profitiert aber auch der Mittelstand.
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Verheiratete Familien müssen sich aufgrund von Steuernachteilen heute zweimal überlegen, ob sie beide arbeiten sollen. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die SP ergriff gegen die Erhöhung der Kinderabzüge bei der Bundessteuer das Referendum.
  • Sie will so verhindern, dass Reiche profitieren, schadet so aber auch den eigenen Wählern.
  • Die Gesetzesänderung verfehle das Ziel ohnehin mehrfach, verteidigen sie sich.
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«Familienpolitik nur für die Reichsten», «ein Bonus für Topverdiener» und «Mittelstand muss das Steuergeschenk bezahlen». Die SP wählte deutliche Worte, als sie im Oktober das Referendum gegen die Erhöhung der Kinderabzüge bei der Bundessteuer ankündigte.

Letzte Woche reichte sie die nötigen Unterschriften ein. Doch setzen sich die Sozialdemokraten hier wirklich für den Mittelstand ein – oder schaden sie mit dem Referendum ausgerechnet ihrer Stammwählerschaft?

Höchster Abzug erst ab 200'000 Franken Einkommen

Tatsächlich bezahlen 44 Prozent der Familien gar keine Bundessteuer, da sie zu wenig verdienen. Sie können daher auch keine Abzüge machen. Wird der Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer von 6500 auf 10'000 Franken erhöht, wie dies die Vorlage möchte, dann profitieren Familien ab 100'000 Franken Einkommen.

Steuerbare Einkommen zwischen 100'000 und 150'000 Franken zahlen dann zwischen 90 und 210 Franken weniger Steuern im Jahr. Familien mit 150'000 bis 200'000 Franken Einkommen profitieren von 168 bis 490 Franken Entlastung. Und ab 200'000 Franken beträgt die Einsparung in der Bundessteuer gar 910 Franken.

Die SP schreibt in ihrem Argumentarium: «Einverdienerehepaare mit zwei Kindern würden bis zu einem Bruttoeinkommen von 170‘000 Franken weniger als 500 Franken an Steuern sparen.
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Zweiverdienerehepaare mit zwei Kindern müssten mindestens 190'000 Franken verdienen, um 540 einsparen zu können.

Der Mittelstand – vom Bundesamt für Statistik definiert als Einkommen zwischen 100’000 und 210'000 Franken – profitiert also. Das sind 900'000 Familien. Über 38 Prozent der SP-Wähler gehören gemäss einer Umfrage zum Mittelstand. Die SP will verhindern, dass Reiche profitieren, schadet aber auch einem grossen Teil der eigenen Wähler.

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350 Millionen Franken würde der Bund an Steuern verlieren mit der Erhöhung der Kinderabzüge. So verteilt sich dieser Betrag über die Einkommensklassen.
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Anteil der Haushalte an den 350 Millionen, nach Einkommensklassen. Lesebeispiel: Die Haushalte mit einem Einkommen zwischen 100'000-150'000 Franken erhalten 30,2% der 350 Millionen Franken.
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Anzahl der Haushalte je nach Einkommen (Achtung: x-Achse ist verkürzt nach oben). Die allermeisten Haushalte liegen also unter 100'000 Franken Einkommen.

Für die SP ist trotzdem klar: Diese Vorlage ist ein «Steuer-Bschiss» am Mittelstand.

Ist das Paar nicht verheiratet mit zwei Kindern, dann erhalten sie den Maximalbetrag von 910 Franken nämlich erst, wenn sie zusammen über eine Million verdienen. Das sagt die SP mit Verweis auf die Zahlen der Steuerverwaltung. Über zwei Drittel der 350 Millionen Franken an Steuergeschenken würden an knapp sechs Prozent aller Haushalte gehen.

Für die SP ist die Vorlage eine kontraproduktive Verschwendung

«Finden Sie das gerecht?», fragt Prisca Birrer-Heimo deshalb. «Die SP setzt sich für faire und solidarische Lösungen ein, nicht für Privilegien für wenige, wie das bei diesem Steuerabzug der Fall ist», findet die SP-Nationalrätin. Und erklärt: «Bei der direkten Bundessteuer, die sehr progressiv ausgestaltet ist, führen solche Abzüge zu einer Privilegierung von Haushalten mit grossen Einkommen und brechen die Progression.»

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Prisca Birrer-Heimo, Nationalrätin SP: «Wenn gezielt die Mittelstandsfamilien entlasten werden sollen, bräuchte es einen Abzug vom Steuerbetrag oder eine Steuergutschrift. - Keystone

Die Vorlage bevorteile einen kleinen Teil von Familien mit grossen Einkommen. «Das kann man so wollen, aber dann muss man das auch so benennen.» Mittelstandsfamilien litten derweil unter hohen Krankenkassenprämien und Kita-Tarifen.

Kein Anreiz für Mütter

Denn die Vorlage schiesse in der jetzigen Form am eigentlichen Ziel vorbei. «Bei dieser Vorlage wollte man ursprünglich die Kinderdrittbetreuungskosten stärker berücksichtigen und 10 Millionen Franken zur Verfügung stellen, um Frauen den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu erleichtern.»

Letzteres würde komplett verfehlt, erklärt Prisca Birrer-Heimo. «Da Einverdienerhaushalte mehr als Zweiverdienerhaushalte vom Abzug profitieren, ist der Anreiz für eine höhere Berufstätigkeit negativ.»

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