FDP-Müller will abgelehnte Eritreer in sichere Drittstaaten schaffen
Damian Müller (FDP/LU) will abgewiesene Eritreer in sichere Drittstaaten schaffen. Die Flüchtlingshilfe ist skeptisch und zieht Parallelen zu Grossbritannien.
Das Wichtigste in Kürze
- Grossbritannien will abgewiesene Geflüchtete ungeachtet der Herkunft nach Ruanda schicken.
- Ständerat Damian Müller will Eritreer bei negativem Asylentscheid in Drittländer schaffen.
- Die Flüchtlingshilfe mahnt: Die Schweiz habe die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz.
Am Mittwoch ist die britische Regierung vor dem Obersten Gerichtshof gescheitert: Die Regierung hatte die Absicht, illegal eingereiste Migranten ungeachtet ihrer Herkunft nach Ruanda abzuschieben. Das sei rechtswidrig, so das Gericht.
Ruanda sei kein geeignetes Drittland, weil es noch nicht sicher genug sei. Es bestehe die Gefahr, dass die Geflüchteten von ruandischen Behörden wieder in ihre Heimatländer zurückgeschickt würden, was illegal wäre.
Damit bestätigt der Gerichtshof den Entscheid des Berufungsgerichts vom Juni 2023. Doch die britische Regierung gibt nicht auf: Innenminister James Cleverly sagte am Donnerstag zu «Sky News», in wenigen Tagen ein abgeändertes Abkommen präsentieren zu wollen.
Flüchtlingshilfe warnt vor Abschiebungen
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) freut das britische Urteil. Nun gelte es aber, Abschiebungen von abgewiesenen Migranten in der Schweiz nach Drittländern wie Ruanda zu verhindern, schreibt sie. Die SFH spricht von einer «Abwälzung von Schutzverpflichtungen».
Damit beziehen sich die Menschenrechtler auf einen Vorstoss von FDP-Ständerat Damian Müller. Er hat in der kleinen Kammer eine Motion eingereicht, die den Umgang mit abgewiesenen Eritreern ändern möchte – mit Erfolg: Der Ständerat hat das Geschäft anfangs Juni 2023 mit 20 zu 18 Stimmen bei fünf Enthaltungen angenommen.
Damian Müller betont auf Anfrage: «Die Motion, die ich eingereicht habe, ist nicht vom britischen Urteil betroffen.» Bei seinem Vorstoss handle es sich keineswegs um eine «Abwälzung von Schutzverpflichtungen», so der Luzerner: «Meine Motion verlangt keine Verlagerung des Asylverfahrens und wendet sich nur an abgewiesene eritreische Asylbewerber, für die keine Schutzverpflichtung besteht.»
Lionel Walter von der SFH widerspricht: Eritreer seien sehr wohl schutzbedürftig, weil sie vor einer «repressiven Diktatur» flüchteten. Aufgrund dessen müsste ihnen eine vorläufige Aufnahme gewährt werden. «Es gibt keinen europäischen Staat, der eritreische Asylsuchende nach Eritrea ausschafft.»
Damian Müller überzeugt von «Pilotprojekt»
Die Vorzüge seiner Idee, die er auch «Pilotprojekt» nennt, lägen auf der Hand, erklärt Damian Müller. «Auf diese Weise bleiben abgewiesene Asylsuchende nicht länger auf Kosten der Steuerzahler in der Schweiz.» Die Motion möchte eine freiwillige Rückkehr nach Eritrea aus einem sicheren Drittstaat fördern – «es kann Ruanda sein».
Das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) in Ruanda biete genau dasselbe an – auch den Geflüchteten aus Eritrea. Sie könnten entweder zurück in ihre Heimat gehen, oder im Drittland bleiben.
Die SFH wendet ein: «Die Schweiz müsste auch bei einer Rückführung abgewiesener Asylsuchender die Einhaltung menschenrechtlicher Standards sicherstellen.» Eine «simple Zusage der ruandischen Regierung», beispielsweise, reiche eben nicht aus. «Das gilt auch für den Plan der Motion Müller», sagt Mediensprecher Lionel Walter.
Obwohl Ständerat Müller das Asylverfahren nicht ins Ausland auslagern möchte, hat er Verständnis für jene Länder, die es machen. So etwa Italien: Das südeuropäische Land habe ein Abkommen mit Albanien, um die Asylverfahren dort abzuwickeln.
«Italien ist zurzeit mit einer enormen Migrationswelle konfrontiert – niemand unterstützt das Land», so der FDP-Politiker. «Deshalb machen sie das Mögliche, um diesen Migrantenzustrom zu bewältigen.» Auch die Staatssekretärin für Migration, Christine Schraner Burgener, befürworte die Idee, sagt Müller.
Abkommen zwischen Italien und Albanien «sehr vage»
Die Flüchtlingshilfe ist diesbezüglich skeptisch, wie sie sagt. «Das Protokoll, welches Italien und Albanien unterzeichnet haben, ist sehr vage formuliert», so Lionel Walter.
Er könne den Plan nicht im Detail beurteilen. Aber die Verantwortung des Flüchtlingsschutzes teilweise auf andere Länder abzuwälzen, lehne die SFH ab. «Damit werden unklare Rechtslagen geschaffen und es drohen eklatante Verstösse gegen völkerrechtliche Verpflichtungen und internationale Menschenrechtsnormen.»
Abschliessend hält Müller fest: «Die europäischen Länder versuchen seit Jahren vergeblich, abgewiesene eritreische Asylbewerber nach Eritrea zurückzuführen.» Eritrea verweigere die Zusammenarbeit, sagen die Behörden.
Müller hingegen vermutet dahinter eine andere Ursache: «Mir fehlt der Glaube, dass überhaupt jemand etwas machen will.» Die Wahlen hätten aber unmissverständlich gezeigt, dass die Bevölkerung diese Untätigkeit nicht mehr dulde: «Es müssen neue Ideen geprüft werden!»
Die SFH findet, die Unterbringung und Betreuung der Asylbewerbenden seien mit ein Grund für die angespannte Lage. Das Bauverbot der Containerdörfer durch den Ständerat habe dies zusätzlich verschärft. Walter: «Eine vorausschauende Planung sowie genügend Unterbringungsreserven stellen einen wichtigen Faktor bei der Bewältigung solcher Situationen dar.»