Fachärzte machen über Grundversicherung Millionenumsätze

Elisa Jeanneret
Elisa Jeanneret

Bern,

Einige Ärzte verrechnen Leistungen von über einer Million Franken über die Grundversicherung. Eine veraltete Tarifstruktur ermöglicht das.

Arzt Arztpraxis Symbolbild
Die FMCH fordert, die medizinischen Fachgesellschaften müssten wegen ihrer Expertise bei der Überprüfung und Verbesserung des Tarifsystems beigezogen werden. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Einige Fachärzte erzielen legal Millionenumsätze über die Grundversicherung.
  • Umsätze von bis zu 4,6 Millionen Franken sind über das alte Tarifsystem «Tarmed» legal.
  • Die Gesundheits- und Spitalverbände fordern, dass ein neues System eingeführt wird.

Die Grundkrankenversicherung hat einigen Fachärzten in der Schweiz Umsätze von über 1,5 Millionen Franken eingebracht. Diese Praxis sorgte bereits 2018 für Aufsehen, wurde vom damaligen Bundesrat Alain Berset als «inakzeptabel» und «nicht zu rechtfertigen» bezeichnet. Sie hält bis heute an.

Nach Informationen des Krankenkassendachverbandes Santésuisse sind diese sogenannten «Millionärsärzte» immer noch aktiv. Im Jahr 2021 verzeichneten mehrere Fachärzte beachtliche Umsätze: Drei Gastroenterologen und zwei Radiologen stellten Leistungen zwischen 1,5 und 2 Millionen Franken in Rechnung. Ein weiterer Radiologe erzielte sogar einen Umsatz von unglaublichen 4,6 Millionen Franken.

Diese Zahlen basieren auf einer Stichprobe, die sich auf rund 6700 Einzelpraxen bezieht. Also solche mit jeweils nur einem registrierten Arzt oder Ärztin.

Fragen zur Arbeitsbelastung

Die genannten Beträge entsprechen zirka einer Arbeitslast von 14 bis 20 Stunden pro Tag – abhängig vom Tarifsystem. Insgesamt haben bei etwa fünfzig Spezialisten die Einnahmen den Wert von einer Million Franken überschritten.

Der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) stellt diese Zahlen jedoch infrage. «Ein einzelner Arzt, der durchschnittlich 20 Stunden oder mehr pro Arbeitstag berechnet, existiert nicht», so die FMH. Sie vermuten, dass es sich um Gemeinschaftspraxen oder medizinische Zentren handelt.

Die FMH betont auch: «Wenn es sich tatsächlich um den Umsatz Einzelner handeln sollte, müssten diese zwingend einem Wirtschaftlichkeitsverfahren unterzogen werden». Andernfalls hätte die Versicherung ihren gesetzlichen Kontrollauftrag nicht erfüllt. «Wir schützen keine schwarzen Schafe».

Tarmed-Tarifstruktur als Problem

Santésuisse-Mediensprecher Christophe Kaempf versichert zwar, die Praxen würden gut kontrolliert. Und die meisten würden ehrlich abrechnen – nach der Tarmed-Tarifstruktur. Doch genau diese Struktur sei das Problem: Sie sei veraltet und mache solche extrem hohen Abrechnungen legal.

Machen Ihnen die steigenden Gesundheitskosten Sorgen?

Tarmed wurde seit seiner Einführung im Jahr 2004 kaum überarbeitet. Die Tarifstruktur deckt somit auch Kosten oder Arbeitszeiten ab, die eigentlich nicht mehr existieren. Das macht einige Leistungen sehr lukrativ.

Die FMH gibt zu, dass Tarmed «veraltet» ist und fordert eine neue Tarifstruktur: Tardoc. Diese soll Über- und Untertarifierungen korrigieren können.

Der Bundesrat hat jedoch bereits vier Versionen von Tardoc abgelehnt; eine fünfte ist seit Dezember letzten Jahres in der Schwebe.

Tarmed Tarife Konsultation
Tarmed-Tarifpositionen betreffend verschiedener Formen von Konsultationen (Ausriss). - Screenshot tartools.ch

Curafutura, der anderer Krankenkassenverband, behauptet, dass Tardoc im Jahr 2022 Einsparungen von 187 Millionen Franken ermöglicht hätte. Der Verband spricht zudem von zukünftigen Einsparungen von bis zu 600 Millionen Franken pro Jahr. Santésuisse und der Spitalverband H+ sind jedoch nicht vollständig überzeugt und schlagen vor, ambulante Pauschalen mit Tardoc zu kombinieren.

Der Bundesrat prüft beide Vorschläge. Eine Entscheidung könnte bis zum Sommer fallen. Nach Jahren des Stillstands scheint eine Lösung in Griffweite.

Kommentare

User #3536 (nicht angemeldet)

Man merkt an den Kommentaren hier, dass 99% der Menschen im Land keine Ahnung vom Tarmed haben.

User #3496 (nicht angemeldet)

Das Problem ist, dass die Kosten der Einzelposten nicht offengelegt werden, das sei dem Patienten nicht zumutbar, würde nur verunsichern. Sind wir denn alle blöd oder was? Als ich vor ein paar Jahren mal zu einem Ohrencheck ging, ca. eine Viertelstunde beim Arzt und zwanzig Minuten bei der Praxisassistentin, kam eine Rechnung von 450Franken. Ich meldete dies der Krankenkasse bezüglich Abzocke, doch die sagten, sie hätten keine Möglichkeit sich zu wehren, ich müssen selber beim Arzt reklamieren. Da es der Versicherung offenbar egal war und bezahlte und ich keine Lust auf faule Ausreden hatte, beliess ich es dann dabei,

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