Familiennachzug soll künftig ein Jahr früher möglich sein
Seit einem EGMR-Urteil können vorläufig aufgenommene Personen ihre Familie früher nachziehen. Der Bund will die Praxisänderung auf Gesetzesebene nachvollziehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Vorläufig aufgenommene Personen sollen ihre Familienangehörigen früher nachziehen können.
- Die generelle Wartefrist von drei Jahren soll künftig auf zwei Jahre verkürzt werden.
- Damit will der Bund eine Praxisänderung nach einem EGMR-Urteil auf Gesetzesstufe heben.
Familienangehörige von in der Schweiz vorläufig aufgenommenen Personen sollen künftig bereits nach zwei statt drei Jahren nachgezogen werden können. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung reagiert der Bundesrat auf ein Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte 2021 in der Sache entschieden. Die automatische Anwendung einer Wartefrist von mehr als zwei Jahren sei unvereinbar mit dem Recht auf Familienleben. Dieses ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgeschrieben.
Rechtsprechung nach EGMR-Urteil angepasst
Das Bundesverwaltungsgericht passte in der Folge seine Rechtsprechung an. Nun will der Bundesrat das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) anpassen. Er hat am Mittwoch die Vernehmlassung dazu eröffnet. Die dreijährige generelle Wartefrist für den Familiennachzug von vorläufig aufgenommenen Personen soll auf zwei Jahre reduziert werden.
Seit dem EGMR-Leiturteil muss das Staatssekretariat für Migration ab einer Wartefrist von zwei Jahren prüfen, ob ein Familiennachzug zulässig ist. Der Bundesrat möchte jetzt Rechtssicherheit schaffen und diese Praxisanpassung auf Gesetzesebene umsetzen, wie er schrieb.
In besonderen Fällen soll der Familiennachzug gemäss Entwurf auch vorher bewilligt werden können. Dies sei etwa der Fall, wenn sich Kinder in besonders prekären Umständen befinden. Die Vernehmlassung dauert bis zum 22. August 2024.
Keine Zunahme erwartet
Laut dem Bund haben zwischen 2018 und 2022 jährlich durchschnittlich 333 Personen mit vorläufiger Aufnahme ein Gesuch um Familiennachzug gestellt: Bei rund 126 Personen wurde dieses gutgeheissen. Mit der neuen Regelung sei somit aufgrund der kürzeren Wartefrist vorübergehend mit rund 126 zusätzlichen Familiennachzügen zu rechnen.
Insgesamt sollte es aber zu keiner Zunahme von Familiennachzügen kommen. Dies, weil die Voraussetzung wie die wirtschaftliche Unabhängigkeit für einen Familiennachzug bestehen bleiben. Gleichzeitig könne durch die Fristverkürzung die «Integration und die Motivation zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit» insgesamt gefördert werden.