Fokus auf mRNA-Impfstoffe: Parlamentarier kritisieren Bundesrat
Die Impfstrategie des Bundesrats konzentriert sich ausschliesslich auf mRNA-Impfstoffe. Parlamentarier fordern mehr Auswahl.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat fokussiert auf mRNA-Impfstoffe im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
- Parlamentarier kritisieren diese Strategie als zu einseitig.
- Sie fordern Auswahlmöglichkeiten bei der Impfung.
Die Impfung gegen das Coronavirus musste schnell her und sie musste qualitativ hohen Ansprüchen genügen. Länder wie Grossbritannien setzten zunächst auf den Vektor-Impfstoff von AstraZeneca, in der Schweiz machten die mRNA-Impfstoffe das Rennen.
Dabei soll es auch bleiben: Die bereits bestellten Chargen von AstraZeneca gibt die Schweiz an das Covax-Programm weiter. Die ebenfalls vektorbasierte «COVID-19 Vaccine Janssen» von Johnson & Johnson hätte in der Schweiz zwar eine Zulassung, wird aber nicht eingesetzt.
Geimpft wird hierzulande mit Moderna und Pfizer und dabei soll es auch bleiben. Gesundheitsminister Alain Berset lobt die mRNA-Technologie und kündigt weitere Impfstoff-Käufe an. Im Rahmen der Förderung von Covid-Medikamenten und -Impfungen will der Bundesrat ausschliesslich den Kontakt zu Herstellern von mRNA-Impfstoffen vertiefen. So habe man «ein diversifiziertes Portfolio». Im Parlament ist man mit dieser Herangehensweise allerdings nur bedingt einverstanden.
mRNA-Impfstoffe: Risiken nicht-medizinischer Art
Einerseits gibt es diejenigen, die grundsätzliche Bedenken gegenüber Impfungen im Allgemeinen und SP-Bundesräten im Speziellen haben. Für SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi sind Studien, die ungeahnte Nebenwirkungen in den Raum stellen, deshalb ein gefundenes Fressen.
Vorderhand stammen solche Publikationen aber primär von wohl nicht ganz vorurteilsfreien Impf-Skeptikern. Oder, im Fall von Aeschi, einer Informatikerin und einem Naturheiler.
Andere wollen dem Bundesrat nicht so recht abnehmen, dass das «Portfolio» tatsächlich «diversifiziert» sei. Bersets Einschätzung, die mRNA-Technologie habe sich bewährt, wird dabei nicht angezweifelt. «Auf mRNA-Impfstoffe zu setzen, macht sicher Sinn», sagt GLP-Nationalrat Martin Bäumle. «Sie bieten einen guten Impfschutz und sie sind flexibel anpassbar gegen Virus-Varianten.»
Die Risiken liegen ganz woanders, befürchtet SVP-Nationalrätin Verena Herzog: «Viele junge Leute haben hohen Respekt vor mNRA-Impfstoffen.» Um die Pandemie in den Griff zu bekommen – und zu behalten – brauche es deshalb dringend Alternativen. «Auch wenn diese einen etwas geringeren Schutz geben und leicht höhere Nebenwirkungen zu erwarten sind. Doch die Nebenwirkungen sind und bleiben fast immer harmlos», betont die Gesundheitspolitikerin.
Proteinbasierte Impfstoffe aussen vor
«Andere Technologien auszuschliessen halte ich nicht für zielführend», sagt deshalb auch Martin Bäumle. Als Naturwissenschaftler kann er zwar die Bedenken gegenüber mRNA-Impfstoffen nicht wirklich nachvollziehen. Aber zugunsten einer hohen Impfrate brauche es Wahlmöglichkeiten für diejenigen, die verunsichert seien.
Dabei denkt Bäumle nicht in erster Linie an AstraZeneca oder Johnson & Johnson, sondern proteinbasierte Impfstoffe. «Diese dürften wohl ähnlich gut sein wie mRNA-Impfstoffe», vermutet Bäumle. Und eigentlich hat die Schweiz auch auf diese Technologie gesetzt: Vom Impfstoff von Novavax sind 6 Millionen Dosen bestellt. Die Zulassung hat der US-Konzern noch gar nicht beantragt, die klinischen Versuche sollen aber vielversprechend sein.
Gute Lobby vor guter Gesundheit?
Auch proteinbasierte Impfstoffe lassen sich so modifizieren, dass sie gegen allfällige Mutanten des Coronavirus schützen. Sollte die Zulassung für Novavax dereinst Tatsache werden, ist der Impfstoff auch ein Kandidat für Auffrisch-Impfungen. Ist das nun einfach ein Bonus, nebst den mRNA-Impfstoffen, oder ist die mRNA-Strategie der Schweiz ein Klumpenrisiko?
Novavax ist längst nicht der einzige Hersteller, der auf proteinbasierte Impfstoffe setzt. Labors in Westeuropa, Russland, China, Kuba oder Kanada arbeiten ebenfalls mit diesem Ansatz. Gar ein pflanzenbasiertes Produkt ist in der Pipeline, die meisten Impfstoffe befinden sich aber noch in einer frühen Entwicklungsphase.
Der Bundesrat setzt dagegen nicht nur auf mRNA-Impfstoffe, er will die Schweiz auch zu einem Hub für die mRNA-Technologie machen. In einigen Monaten oder Jahren könnten aber andere Impfstoffe auf dem Markt sein, die zumindest als Ergänzung für das Schweizer Impfprogramm dienen könnten.
Deshalb urteilt SVPlerin Verena Herzog auch mit einem Vorwurf, der sonst eher von links zu hören ist. Nein, Sinn mache der Fokus auf mRNA nicht: «Ausser, dass sich Leute, die ‹persönliche› Beziehungen zu Impfstoffherstellern pflegen, durchgesetzt haben.»