Gewerkschaften befürchten weiterhin Lohndumping
Die Schweiz kann zufrieden sein mit der Personenfreizügigkeit, sagen Bund und Arbeitgeber. Die Gewerkschaften warnen aber vor Dumpinglöhnen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der jährliche Bericht zur Personenfreizügigkeit zeigt: Die Schweiz profitiert.
- Die Gewerkschaften kritisieren aber: Das Problem seien die temporär arbeitenden Ausländer.
- Durch sie gebe es viel Lohndumping, warnt Chefökonom Daniel Lampart.
Es kommen genau die, die kommen sollen: Das sagt der jährliche Bericht des Bundes zur Personenfreizügigkeit. Der Arbeitgeberverband ist denn auch voll des Lobes zu den Möglichkeiten, aus der EU Arbeitskräfte zu holen. Weil die sogenannten «Flankierenden Massnahmen» wirken, sei die Sorge um Jobverlust oder Lohndumping auch unbegründet.
Gewerkschaften warnen trotzdem
«Es werden keine Schweizer aus den Jobs verdrängt», betont Roland Müller, Direktor des Arbeitgeberverbands. Und die Staatssekretärin für Wirtschaft, Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch erläutert Interview: «Wir haben sehr viele hochqualifizierte Leute aus der EU, aber auch viele tiefqualifizierte – weil die Schweizer Bevölkerung je länger je bessere Abschlüsse hat.»
Eine Einwanderung in die Sozialwerke sei ebenfalls nicht festzustellen. Das sei alles richtig und wichtig, sagt dagegen Daniel Lampart, Chefökonom des Gewerkschaftsbundes – für Dauerstellen. Probleme gebe es aber weiterhin bei der temporären Stellenvermittlung und bei ausländischen Firmen, die Aufträge in der Schweiz ausführten. Dort gebe es sehr oft Dumpinglöhne.
Also doch besser keine Personenfreizügigkeit?
Dank den berüchtigten «Flankierenden Massnahmen» mit den Lohnkontrollen würden bei einem Viertel bis einem Drittel der Kontrollierten Verstösse aufgedeckt. Also doch nicht so ein tolles Abkommen mit der EU, welches wir da haben, und ein Versuch ohne Personenfreizügigkeit wäre eine Variante?
Ganz und gar nicht, sagt Lampart. Die Kündigungs-Initiative der SVP sieht er als grossen Fehler und Gefahr für Löhne und Arbeitsplätze. Der Zugang zum EU-Markt für die Exportwirtschaft würde verloren gehen und eine Rückkehr zu Kontingenten auch keine bessere Lösung. «Man fragt sich heute, wie solche Sklaverei-ähnlichen Zustände je in der Schweiz existieren konnten.
Inländervorrang ohne Effekt?
Andererseits: Wenn die Personenfreizügigkeit den Schweizer Arbeitsmarkt ideal mit benötigten Arbeitskräften versorgt, fragt man sich, was denn die seit Anfang Juli geltende Stellenmeldepflicht noch verbessern soll. Der Inländervorrang, das Umsetzungs-Vehikel der Masseneinwanderungsinitiative, würde zwar gelten. Aber wird man auch etwas davon merken, wenn die Wirtschaft offensichtlich die benötigten Fachkräfte nur im Ausland finden kann?
Sowohl Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch wie auch Arbeitgeber-Direktor Müller geben ausweichend Antwort. Die Stellenmeldepflicht sei wichtig, betonen beide, wie auch die damit verknüpften Massnahmen im Stellenmarkt. Aber, stellt Müller klar: «Je nach Funktion findet man die Leute nicht und wir werden weiterhin auf die Zuwanderung angewiesen sein.»