Impf-Behauptungen von Bundesrat Maurer im grossen Faktencheck
Das Wichtigste in Kürze
- Kinder seien robust, der Staat nicht gefragt: Bundesrat Ueli Maurer teilt im SVP-Talk aus.
- Zur Corona-Impfung, dem Covid-Zertifikat und der Maskenpflicht hat er eine klare Meinung.
- Was davon richtig, falsch oder nicht einzuordnen ist, hier im Faktencheck.
Wenn sich die Gelegenheit bietet, volksnah zu plaudern, dann läuft Bundesrat Ueli Maurer jeweils zu Hochform auf. Nicht anders beim «SVP-Live mit Ueli Maurer» von Anfang Woche, einem rund halbstündigen Talk auf dem SVP-eigenen YouTube-Kanal. Dabei hat Maurer unter anderem Antworten zu Bedenken der SVP-Basis bei Zertifikat, Impfung und Maskenpflicht gegeben. Insbesondere Maurers Skepsis gegen Impfungen aller Art drang dabei durch – aber hielt er sich auch an die Fakten?
«Kinder sind robust!»
Ein Expertenstreit: Wer hat recht, Kinderexperte Ueli Maurer (als sechsfacher Vater) oder die Fachleute der Impfkommission? Maurer warnt vor einer Corona-Impfung bei Kindern, denn «Kinder sind robust, das hat sich ganz offensichtlich gezeigt». Der Entscheid liege jedenfalls bei den Eltern: «Die Kinder gehören den Eltern und nicht dem Staat.»
Beide Aussagen sind nur teilweise richtig und taugen nur teilweise als Argument pro oder contra Impfung. Korrekt ist, dass Kinder bei einer Ansteckung mit Coronavirus selten schwere Verläufe haben und höchstens milde Symptome zeigen. Sie können aber als Folge einer Corona-Infektion an der schweren Entzündungskrankheit PIMS erkranken.
Wem gehören Kinder?
«Robust» wären also die meisten, aber nicht alle, und es ist (wie bei Erwachsenen) nicht immer offensichtlich, welche. Aus Sicht der Impfkommission wäre eine Impfung bei Kindern aber auch aus ganz anderen Gründen angezeigt. Einerseits, um dem Coronavirus die Grundlage zur Ausbreitung und Mutation zu entziehen. Andererseits, weil insbesondere Kinder stark auf Quarantäne und Isolation reagieren, Stichworte Bildungsrückstand und Depression.
Richtig ist zwar, dass die Kinder nicht dem Staat gehören, den Eltern allerdings auch nur bedingt. Gemäss Schweizer Gesetzgebung gehören sie zuallererst sich selbst, auch wenn das Verb «gehören» so nicht verwendet wird.
Im Zentrum steht stets das Wohl der Kinder, nicht der Eltern, weshalb der Impf-Entscheid nur bedingt bei den Eltern liegt. In bestimmten Fällen können Kinder ab 10 Jahren selbst entscheiden. Maurers Kinder sind zudem alle volljährig.
Zweiklassengesellschaft beim Maskentragen
«Ich befürchte, dass wir noch in Monaten Leute haben werden, die die Maske anhaben», prognostiziert Ueli Maurer. Das ist ziemlich sicher korrekt, schliesslich gab es auch vor der Pandemie schon Leute mit Maske. Ob es gerechtfertigt ist, sich davor zu fürchten, lässt sich dagegen schwer mit «richtig» oder «falsch» beurteilen. Insbesondere, wenn sich Maurer im nächsten Satz selbst widerspricht.
Er wolle nämlich keine Masken-Zweiklassen-Gesellschaft: «Dass die, die keine anhaben, blöd angeschaut werden oder umgekehrt.» Und weiter: «Wir sollten hier nicht zu viel vorschreiben, denn am Schluss ist es eigentlich Eigenverantwortung.» Richtig, zu viele Vorschriften will niemand, aber falsch: Die Eigenverantwortung endet dort, wo die Gefährdung Dritter beginnt.
Impfung gegen die «Grippe»
Vor drei Wochen sorgte Ueli Maurer für Schlagzeilen, weil er entgegen ursprünglichen Beteuerungen nun doch zweimal geimpft ist. «Ich hoffe, dass es das erste und letzte Mal ist, das sich mich gegen Grippe impfe», seufzt Maurer. Die Aussage ist erneut etwas schwierig zu beurteilen, weil sie Dinge vermischt.
Einerseits ist es sehr plausibel, dass sich Maurer noch nie gegen Grippe impfen liess. Schon 2009 wehrte er sich als VBS-Vorsteher vehement dagegen, sich gegen die Schweinegrippe impfen zu lassen. Auch die Armee brauche das nicht: «Unsere Leute sind robust», analog zu den Kindern.
Nur ist das Coronavirus, welches Covid verursacht, nicht einmal näher verwandt mit dem Influenza-Virus, welches Grippe verursacht. Von «Grippe» zu sprechen, wirkt wenn schon verharmlosend und macht Maurers Satz doppelt falsch. Er wurde nicht gegen Grippe geimpft, weder zum ersten noch zum letzten Mal.
Ungeliebtes Zertifikat aus eigenem Haus
Ein ähnliches Gnusch macht Maurer beim Covid-Zertifikat, welches, wie er stolz bestätigt, in seinem Departement entwickelt wurde. Fliegend wechselt er von «liegt an den Veranstaltern zu sagen, was sie wollen» zu «nicht bei öffentlich zugänglichen Restaurants». Bei Grossveranstaltungen («ich denke da an Eishockey-Matches oder so») sei es für die Veranstalter freiwillig, aufs Zertifikat abzustützen. Gleichzeitig schliesst Maurer nicht aus, dass es gerade dort zur Vorschrift werde.
In den Bundesratssitzungen scheint es an Maurer vorbeigegangen zu sein, dass es sehr konkrete Vorgaben gibt. Bereiche wie ÖV, wo das Zertifikat verboten ist. Bereiche wie Restaurants, wo das Zertifikat eingesetzt werden kann. Und Bereiche wie Eishockey-Matches, wo das Zertifikat Pflicht ist – ausser «der Veranstalter» entscheidet sich freiwillig, die Veranstaltung abzusagen.
Weiter tröstet Bundesrat Maurer die Zertifikats-Kritiker damit, dass dieses wohl nur für kurze Zeit überhaupt eingesetzt werde. «Ich gehe davon aus, das mit der Durchimpfung das Virus dann doch bald verschwindet», sinniert Maurer. Eine Prognose, die umso wahrer wird, je mehr sich auch robuste Personen impfen lassen.