Kantone zerreissen Alain Bersets Impfprämie
Die vom Bundesrat zur Diskussion gestellten 50-Franken-Gutscheine für Überzeugungsarbeit bei Ungeimpften kommen bei den Kantonen nicht gut an.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Kantone sprechen sich gegen die 50-Franken-Gutscheine für Impfberatungen aus.
- Sie unterstützen aber das Anliegen des Bundesrats, die Impfquote zu steigern.
Es brauche unkonventionelle Massnahmen und neue Wege, sagte Gesundheitsminister Alain Berset am vergangenen Freitag. Deshalb sucht der Bundesrat den Ausweg aus der stagnierenden Impfquote via finanzielle Anreize. Ein 50-Franken-Gutschein soll erhalten, wer eine ungeimpfte Person vom Nutzen des Piks überzeugt. Doch die meisten Kantone schmettern die Impfprämie deutlich ab.
Impfprämie: «falsches Signal», «ein Hohn», «unschweizerisch»
Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli antwortet in der bis heute dauernden Konsultation dem Bundesrat in fast allen Punkten mit «Nein». Nein, keine mobilen Beratungs- und Impfstellen des Bundes, man habe bereits vier Impfmobile und ein Impftram. Vor allem aber, nein, bitte keine Impfprämie.
Diese erhöhe die Spaltungstendenzen in der Gesellschaft und gebe eine falsche Signalwirkung. Bei künftigen Impfungen könnte es sein, dass «bestimmte Personen in der Erwartung eines finanziellen Anreizes mit dem Impfen zuwarten».
Mal gewunden juristisch argumentierend, mal erbost über die quer in der Landschaft stehende Idee: Die meisten Kantone lehnen den Vorschlag ab. Die koordinierte Antwort der Ostschweizer Kantone bezeichnet die 50-Franken-Gutscheine als «nicht vertretbar». Der Thurgau setzt noch einen drauf: «Ein Hohn» sei diese Idee, denn sie setze den Anreiz, stets möglichst lange zuzuwarten.
Kein Pardon kennt auch der Kanton Glarus: Geld zu erhalten für einen Akt der Solidarität sei «unschweizerisch». Wie auch Luzern und Schwyz verweist Glarus darauf, dass bereits Geimpfte sich ungerecht behandelt fühlen könnten. Bedenken haben die Kantone auch, ob die Impfprämie überhaupt grosse Wirkung erzielen würde.
Nordwestschweizer Nachbarkantone
Der Aargau hält eine Wirkung zwar theoretisch für möglich, zweifelt aber, ob überhaupt eine Rechtsgrundlage bestehe. Zudem sei der «Ressourcenaufwand für die Prozessdefinition und die Implementierung» zu hoch.
Nachbar Basel-Landschaft hat die gleichen Bedenken und vergleicht die Impfprämie mit «Kunden werben Kunden»-Aktionen. Dort gebe es ja jeweils Gutschriften innerhalb derselben Unternehmung – doch Steuergutschriften kämen nicht infrage.
Damit grenzt sich das Baselbiet deutlich ab von Basel-Stadt, dem bislang einzigen Kanton, der die Impfprämie gutheisst. Die fast vorbehaltlose Zustimmung lässt sich allenfalls durch die Zusammensetzung der Regierung erklären. Als Gesundheitsdirektor amtet schliesslich Lukas Engelberger, der auch die Konferenz aller kantonalen Gesundheitsdirektoren präsidiert. Als häufiger Gast in Bern hatte er wohl einiges mitbekommen, wie der Bundesrat schlussendlich zur «unkonventionellen Massnahme» der Impfprämie gelangte.
Impf-Effort ja, Impfziel bitte sehr auch
Die Stellungnahmen der Kantone lesen sich fast durchgehend wie ein grosses «ja, aber». Dass es eine höhere Impfquote brauche – einverstanden. Eine nationale Impfwoche: Warum auch nicht. Aber all die anderen Massnahmen, mit denen der Bundesrat den Kantonen Beine machen will: Nein, danke. Das gilt insbesondere auch für den Einsatz von 1700 Fachpersonen, die sozusagen Impfberatungen an der Haustüre anbieten sollten.
Hingegen bringen eine Reihe von Kantonen Gegenvorschläge aufs Tapet, wie eine klare Zielimpfquote. Ist diese erreicht, soll dies automatisch zur Aufhebung aller Massnahmen führen, schreibt zum Beispiel der Kanton Thurgau. Dies gebe der Bevölkerung eine Perspektive und Motivation. Ob damit auch die kostenlose Motivation gemeint ist, Ungeimpfte vom Piks zu überzeugen, wird nicht näher ausgeführt.