Bundesrat will keine Testpflicht für China
Der Bundesrat verzichtet auf eine Testpflicht für Einreisende aus China. Spielt das eigentlich überhaupt noch eine Rolle? Ein Kommentar.
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Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat verzichtet auf eine Testpflicht für Einreisende aus China.
- Damit stellt er sich gegen die EU und gegen Forderungen aus dem Parlament.
- Unter welchen Umständen wäre eine Testpflicht wirklich sinnvoll?
Wir wissen nach wie vor nicht so recht, wie mit einer Pandemie umzugehen ist. Oder vielleicht wüssten wir es, wenn wenigstens die Informationen alle vorhanden wären. Doch selbst dann hätten wohl die Entscheidungsträger Zweifel, welche Massnahmen die angebrachtesten sind. Strenge und gewisse Widerstände in Teilen der Bevölkerung provozieren, oder lockere und sich des Unverständnisses anderer Bevölkerungsteile gewiss sein?
Der Bundesrat: Reif für die Insel
Die EU empfiehlt es und viele Staaten, darunter alle Nachbarländer, tun es: eine Testpflicht für Reisende aus China. Der Bundesrat verzichtet aber darauf und weiss es besser: Epidemiologisch bestehe dazu keine Notwendigkeit. Damit wird die Schweiz einmal mehr zu einer Insel, zum Sonderfall. Und einmal mehr ist man nicht sicher, ob man darauf nun stolz sein soll.
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Immerhin hätte der Bundesrat offene Türen eingerannt: Parlamentarier aller Regierungsparteien hatten eine Testpflicht für China gefordert. Chinesen hätten es umgekehrt der Schweiz kaum übel genommen, wenn sie das Gleiche tut wie Deutschland oder Belgien. Doch der Bundesrat, unter kundiger Leitung des Bundespräsidenten und Gesundheitsministers Alain Berset, wollte keine Symbolpolitik machen.
Sind chinesische Touristen gar nicht so gefährlich?
Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es tatsächlich wenig Gründe, die für eine Testpflicht sprechen. Die Viren-Varianten in China sind in etwa diejenigen, die auch in der Schweiz kursieren. Die Supermutante XBB.1.5 macht gemäss den verfügbaren Zahlen einen ähnlich kleinen Anteil aus wie auch in Europa.
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Epidemiologisch betrachtet könnte man wohl genauso gut für eine Testpflicht indischer Touristen argumentieren. Dort war XBB.1.5 zwischenzeitlich für die Hälfte der Ansteckungen verantwortlich. Nur hat Indien im Verhältnis zur Bevölkerung gerade sehr wenige Fälle. Angestiegen sind die Fallzahlen hingegen in den USA, wo XBB.1.5 ebenfalls dominiert.
Verfügbare Zahlen
Das entscheidende Wörtchen scheint hier «verfügbar» zu sein: Kann man den Zahlen wirklich trauen, und wenn ja, auf welche Faktoren soll man abstützen? China hat offiziell sehr wenige Fälle pro Million Einwohner. Aber halt: Was ist mit den explodierenden Zahlen, gemäss denen zum Beispiel in der Provinz Henan 90 Prozent der Bevölkerung angesteckt sind?
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Das hat immerhin «ein Behördenvertreter» bestätigt – und wem soll man in China schon trauen, wenn nicht den Behörden? Gemäss den verfügbaren Zahlen liegen die Fallzahlen aber auch im Nachbarland Italien sogar noch höher als in den USA. Oder sind nicht die Ansteckungen, sondern die Viren-Varianten ausschlaggebend?
Testpflicht-Forderungen aus unterschiedlichen Gründen berechtigt
Auch wenn sich Gesundheitspolitiker verschiedener Parteien einig sind, dass eine Testpflicht für China sinnvoll wäre: Sie begründen dies jeweils differenziert. FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt will primär einheitliche Regeln. Mitte-Politiker Lorenz Hess fürchtet um die überlasteten Spitäler. SVP-Nationalrat Thomas Aeschi will die Schweiz vor möglichen Mutationen schützen.
Tatsächlich weiss man bei der Blackbox China nicht so genau, was für Viren-Varianten kursieren. Vielleicht nicht so viel XBB.1.5, vielleicht aber auch ein im Rest der Welt noch unbekannter Ableger mit hohem Ansteckungspotenzial. Genauere Zahlen und Informationen wären jetzt sehr hilfreich.
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Zum Beispiel auch für die Schweiz: Offiziell hat diese mehr Ansteckungen pro Million Einwohner als China und Indien zusammen. Ausser, dass wir ja gemäss Parlamentsbeschluss praktisch nicht mehr testen. Aber ruhig Blut: Im Vergleich zur Situation vor einem Jahr bewegt sich die Welt auf niedrigem Niveau. Ausser, dass damals eine störrische Alpenrepublik, äh, Insel, obenausschwang.
Denn wir würden gerne wissen, was wir tun
Für den Überblick über das epidemiologische Geschehen haben wir ja immer noch die Messungen der Virenlast im Abwasser. Ausser, dass das BAG aus finanziellen Gründen diese Kontrollen auf die Hälfte zusammenstreichen musste. Gemäss internationalen Online-Portalen liegt der Anteil von XBB.1.5 hierzulande auch nur bei wenigen Prozent. Ausser, dass das BAG-Dashboard diesbezüglich rein gar nichts ausweist.
Lies: Die Schweiz hat eher hohe Ansteckungszahlen, eher keine Ahnung, wie hoch genau, und bei den Viren-Varianten sind wir eher unschlüssig. Wer fordert eine Testpflicht, um die endlich wieder anreisenden chinesische Touristen vor Ansteckungen zu schützen?