Kinderärzte und -psychiater: Jetzt erleichtert der Bund Zulassung
Um dem Notstand bei Fachärzten zu begegnen, will der Bund die Tätigkeitspflicht von drei Jahren lockern. Davon würde auch die Kinderpsychiatrie profitieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Ärztinnen und Ärzte müssen in der Schweiz drei Jahre in ihrem Fachgebiet arbeiten.
- Ab dann kann die obligatorische Krankenversicherung ihre Leistungen übernehmen.
- Der Bund möchte dies nun bei unter anderem der Kinderpsychiatrie ändern.
- Dort sei der Bedarf nach Fachärzten gross. Diese sind mit der Massnahme einverstanden.
Seit über einem Jahr existiert ein Gesetzesartikel, den Bund und Parlament nun vorübergehend wieder aufheben möchten. Es handelt sich um besondere Voraussetzungen für Ärztinnen und Ärzte im Krankenversicherungsgesetz.
Der Artikel besagt: Die Ärzteschaft muss drei Jahre in ihrem Fachgebiet arbeiten, bis die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) ihre Leistungen übernehmen kann. Diese Arbeit müssen sie an einer anerkannten Weiterbildungsstätte leisten. Das erhöhe Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen.
Diese «dreijährige Tätigkeitspflicht» bereitet nun Probleme. Denn der Fachärztemangel ist in verschiedenen Regionen und Medizinbereichen akut.
Kinderpsychiater erleichtert – plädieren aber für zurückhaltende Umsetzung
Der Bundesrat hat diese Woche deswegen einer entsprechenden parlamentarischen Initiative der Gesundheitskommission zugestimmt. Stimmt auch das Parlament zu, würde dieser Artikel angepasst. Aber nur in vier Bereichen: Allgemeinmedizin, Kindermedizin, Kinderpsychiatrie und Kinderpsychologie. Dort sei der Bedarf nachgewiesen.
Die Kantone dürften demnach einer Kinderpsychologin in einer Randregion diese Ausnahme gewähren, wenn sie die einzige Leistungserbringerin wäre: Etwa, weil der bisherige Kinderpsychologe in die Rente geht. Oder weil es schlicht zu wenige Fachärzte für zu viele Patientinnen und Patienten gibt.
Die vorgesehene Ausnahmeregelung wird durchaus als positiv betrachtet. Auf Anfrage sagt Alain Di Gallo von der Schweizerischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie SGKJPP: Es sei ihr ein grosses Anliegen gewesen, dass die Kinderpsychiatrie bei dieser Ausnahmeregelung berücksichtigt werde. Alain Di Gallo ist Co-Präsident der SGKJPP und Direktor der Klinik für Kinder und Jugendliche der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel.
Er betont, dass die Regelung «lediglich Praxisbewilligungen» betreffe. «Und sie soll tatsächlich nur in Ausnahmefällen und auch nur in wenig versorgten Randgebieten zum Tragen kommen», so Di Gallo.
Denn Grundsätzlich sei es wichtig, insbesondere für ausländische Fachärztinnen und -ärzte, die drei Jahre Tätigkeitspflicht durchzumachen. So könnten sie sich mit dem hiesigen Gesundheitswesen vertraut machen. Und «sprachliche Sicherheit» erlangen, wenn dies nicht schon der Fall ist.
Trotz Ausbau noch Luft nach oben
Viele Kantone hätten während der Pandemie ambulante und stationäre Angebote für Kinderpsychiatrie und Jugendpsychiatrie ausgebaut, sagt Susanne Walitza. Die Fachärztin sitzt im Vorstand der SGKJPP. «Ein Rückbau dieses Angebotes wäre problematisch, da keine Abnahme des Bedarfs in Sicht ist», erklärt Walitza.
Die Wartelisten seien immer noch lange. Bern und Zürich würden erfreulicherweise einen Ausbau der stationären Kapazitäten planen, erklärt Walitza weiter. Trotzdem: In vielen Regionen – auf dem Land, aber auch in Genf etwa – seien «weder Angebot noch Finanzierung annähernd gesichert».
Der Staat könnte der Kindermedizin stärker unter die Arme greifen, schlägt die Psychiaterin vor. Etwa so, wie es Deutschland jüngst mache. Denn aktuell deckten die Tarife weder die Kosten von ambulanten noch tagesklinischen Behandlungen: «Hier spielt die Tatsache, dass in der Kindermedizin für adäquate Behandlungen per se mehr Zeit notwendig ist, eine grosse Rolle.»
Die SGKJPP unterstreicht, dass es unbestritten sei, den Bestand von Fachärztinnen und -ärzten in diesem Bereich erhöhen zu müssen. Gemäss BAG arbeiten weniger als die Hälfte der 883 Kinderpsychiaterinnen und -psychiater Vollzeit. Ansonsten, befürchtet Susanne Walitza, steuere die Schweiz auf dieselbe Mangellage wie Deutschland zu.