Man lernt nie aus: Der Gender-Tag ist die Zukunft!
Der wegen Drohungen abgesagte Gender-Tag der Schule Stäfa regt zum Nachdenken an. Da stellt sich heraus: Es ist alles ganz anders. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Aufregung um den «Gender-Tag» in Stäfa ZH beruht auf falschen Ängsten.
- Das hätte sich vermeiden lassen.
- Nachforschungen zeigen: Gender ist eh Schnee von gestern. Ein Kommentar.
Nach viel Empörung und noch mehr Ausrufezeichen hat die Schule Stäfa den «Gender-Tag» abgesagt. Nota bene nicht wegen der Kritik, sondern weil man Störungen befürchten musste. Es gab gar Drohungen gegen Leib und Leben der Schulangestellten. Also weitaus Schlimmeres, als die Kritiker zu verhindern glaubten.
So entgeht den Stäfner Schülerinnen und Schülern eine wertvolle Lektion fürs Leben: Nämlich, dass es noch viele langweilige Pflicht-Tage geben wird, deren Sinn und Zweck man erst Jahre später nachvollziehen kann. Die ganze Angelegenheit hat aber immerhin auch positive Seiten: Man lernt wieder einmal dazu. Vielleicht sogar, wenn man zu den Kritikern zählte.
Einige von diesen zweifelten ja sogar an, dass die Stäfner Behördenvertreter die Wahrheit sagten. Es könne nicht sein, dass der «Gender-Tag» angeblich schon seit über zehn Jahren stattfinde. So lange gebe es die Gender-Debatte, beziehungsweise das Wort «Gender», in unserem Sprachgebrauch ja noch gar nicht.
Drum prüfe, wer es problematisch findet
Das hätte man ja vorher nachprüfen können und hätte im Vorbeiweg ganz, ganz interessante Dinge gelernt. Haben Sie zum Beispiel gewusst, dass «Gender» gar nicht «Transe» oder LGBTQI+ heisst? Nein, es ist enttäuschenderweise einfach Englisch für «Geschlecht».
Am «Gender-Tag» gibt es darum keine Drag Queens, die mit nackten, unrasierten Beinen Can-Can tanzen und gleichzeitig Kinderbücher vorlesen. Sondern nur «spannende Einblicke» und «Diskussionen in der Gruppe» über Themen aus den 80er-Jahren, wie: Wann ist ein Mann ein Mann?
So alt ist der «Gender-Tag» wirklich
Auch herausfinden können hätte man, dass es den «Gender-Tag» in Stäfa tatsächlich schon lange gibt. Zu Beginn fand man den auch noch derart interessant, dass die «Zürichsee-Zeitung» 2012 eigens eine Journalistin hinschickte. Sie berichtete von halbstarken Töfflibuben, die wie Mädchen kicherten – vermutlich ist trotz allem etwas Rechtes aus ihnen geworden.
Den Begriff «Gender-Tag» verwendet man in der Schweiz allerdings schon viel länger. Unter anderem befand der Kanton Baselland 2006, der allseits beliebte «Tochtertag» sei doch auch etwas für Jungs. Darum solle er zum «Gender-Tag» werden, damit «Buben etwas über Gleichstellung lernen». Merke: Gleichstellung ist, wenn auch die Buben endlich alles dürfen.
Drei Jahre später hiess es dann landesweit: «Der nationale Tochtertag findet jeweils am 2. Donnerstag im November statt und richtet sich an Jungs der 5. bis 7. Schulklasse. Aber je nach Kanton gelten spezifische Regelungen.» Allerdings mit geschlechtergetrenntem Programm: Schon damals gab es für Jungs «spannende Diskussionen mit den Klassenkollegen», aber auch «Besuche von rollenteilenden Vätern».
Gender ist Zukunft
2010 wurde der «Tochtertag» zum 10-Jahres-Jubiläum gleich landesweit umbenannt. Vom «Gender-Tag» ging es nahtlos über zu «Nationaler Zukunftstag – Seitenwechsel für Mädchen und Jungs». So heisst er auch noch heute. Offenbar gab es noch keine erzürnten Bedenken, nach einem Seitenwechsel könnte man urplötzlich vom anderen Ufer sein.
Um dem vorzubeugen, sollte eventuell mittelfristig ein anderer Slogan gesucht werden. Stäfa will ja den «Gender-Tag», um Missverständnisse zu vermeiden, auch unter neuem Namen fortführen. Denn was gut gemeint ist, muss regelmässig umbenannt werden. Aber sich darauf zu verlassen, wäre fahrlässig, weil, eben: «Gender» ist Sache der Kantone.