Motorradfahren: Immer mehr Jugendliche verunglücken schwer
Immer mehr Jugendliche verunglücken beim Töfffahren schwer. Nau.ch hat bei Experten nach einer Verortung der Unfallentwicklung gefragt.
Das Wichtigste in Kürze
- In den letzten zwei Jahren sind mehr Jugendliche beim Töfffahren schwer verunglückt.
- Am Ursprung des Anstiegs vermuten Experten die Herabsetzung des Mindestalters für Töffs.
- Eine Kampagne der BFU soll Jugendliche über die wichtigsten Verhaltensregeln aufklären.
Am 1. Januar 2021 wurde das Mindestalter zum Führen von 125-Kubikzentimeter-Motorrädern von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt. Gleichzeitig dürfen seit der Gesetzesänderung bereits 15-Jährige ein 50-Kubikzentimeter-Motorrad fahren.
Im zweiten Jahr nach der Herabsetzung des Mindestalters verharren die Unfallzahlen auf hohem Niveau. 2022 sind mehr als 120 Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren beim Töfffahren schwer verunglückt. Zwei Personen verloren ihr Leben.
Zum Vergleich: In den vier Jahren vor der Gesetzesänderung verunfallten beim Töfffahren pro Jahr durchschnittlich 56 Jugendliche schwer. In den zwei Jahren seit der Herabsetzung des Mindestalters sind folglich mehr als doppelt so viele jugendliche Töfffahrer schwer verunglückt.
Experten sehen Gesetzesänderung am Ursprung
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) bestätigt, was auf den ersten Blick offensichtlich scheint: Die Gesetzesänderung sei ein Hauptgrund für die annähernde Verdoppelung der Unfallzahlen. Der Anstieg sei keine Überraschung, wie die Fachstelle gegenüber Nau.ch erklärt: «Jüngere Personen sind gefährdeter, zudem bergen Motorräder eher mehr Risiken als andere Verkehrsmittel.»
Die BFU sei besorgt über diese Entwicklung und hat bereits letztes Jahr ein Kampagnenkonzept für jugendliche Töfffahrerinnen und Töfffahrer entwickelt. Die fünf Spots der Aktion «Don't mess it up» würden nun wieder auf Instagram, TikTok, Snapchat, YouTube und Spotify ausgestrahlt.
Ziel der Kampagne sei es, Jugendliche kreativ auf die wichtigsten Verhaltensregeln auf dem Motorrad hinzuweisen: «Sie sollen vorausschauend fahren, aufmerksam bleiben, genügend Abstand halten, vor Kurven runterbremsen und nur mit Schutzausrüstung auf das Motorrad steigen.» Überdies betont die Beratungsstelle, dass renommierte Motorradfahrschulen den «Grundstein für viele schöne Jahre mit unfallfreien Töff-Ausflügen» darstellten.
Mehr Motorradfahrer, mehr Unfälle?
Für SVP-Nationalrat Walter Wobmann, seines Zeichens Zentralpräsident der Föderation der Motorradfahrer der Schweiz (FMS), sind diese Zahlen schnell erklärt: Die gestiegenen Unfallzahlen seien in erster Linie darauf zurückzuführen, dass heutzutage viel mehr junge Leute Motorräder fahren.
Gegenüber Nau.ch erklärt der Solothurner, dass es daher auch nicht überraschend sei, dass mehr Unfälle geschehen. Tatsächlich hat die Zahl der zugelassenen Motorräder in der Schweiz in den vergangenen Jahren einen erheblichen Zuwachs erfahren: von knapp 680'000 im Jahr 2012 auf rund 790'000 im vergangenen Jahr.
Überdies gibt Wobmann zu bedenken: «Im Vergleich zum Roller sind 125er-Motorräder sicherer.» Die Fahrzeuge verfügten über bessere Bremsen, sicherere Fahrwerke und Räder. Ferner sei die Leistung auch bei diesen Motorrädern auf 11 Kilowatt begrenzt, so der Solothurner.
Keine Rückkehr zum alten System?
Von einer Rückkehr zum alten Mindestalter zum Führen von sogenannten Leichtkrafträdern will Wobmann deshalb nichts wissen: «Davon halte ich gar nichts!» Eventuell sei eine weiterführende Sicherheitskampagne vonseiten der BFU angezeigt. Ferner hätten die Unfälle auch bei den E-Bikes massiv zugenommen, erklärt der Solothurner.
Die BFU wiederum betont ihre Funktion als reine Beratungsstelle. Gleichzeitig verweisen die Experten darauf, dass man vor den Folgen einer Senkung des Mindestalters gewarnt hatte. Jetzt würden allerdings die neuen Regeln gelten: «Es ist deshalb jetzt noch wichtiger, dass wir die Jungen sensibilisieren. Ihnen muss bewusst sein, welche Kraft ihre Maschine hat und sie müssen wissen, wie sie mit dieser Kraft korrekt umgehen.»
Allgemein ist politisch bisher wenig passiert – die Gesetzesänderung soll spätestens nach drei Jahren überprüft werden. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) wird einen Bericht über die Ergebnisse der Evaluation veröffentlichen. Anschliessend soll dem Bundesrat ein Antrag für das weitere Vorgehen gestellt werden. Bis dahin – fahren Sie vorsichtig!