Mundartunterricht für Romands findet Anklang beidseits der Saane
Ein Kantonsparlamentarier fordert Mundartunterricht für Schüler im Waadtland. In SVP-Nationalrat Lukas Reimann findet der Grüne ungewöhnliche Unterstützung.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Waadtländer Kantonsrat David Raedler fordert Mundartunterricht in der Schule.
- Passive Kenntnisse seien wirtschaftlich sinnvoll und stärkten den nationalen Zusammenhalt.
- In SVP-Nationalrat Lukas Reimann findet der Grüne einen ungewöhnlichen Verbündeten.
Durch ihre sprachliche Vielfalt ist die Schweiz ein weltweiter Einzelfall: Auf engstem Raum treffen unterschiedliche Sprachgemeinschaften mit kulturellen Eigenheiten aufeinander. Neben vier offiziellen Landessprachen existieren zahlreiche Mundart-Dialekte – das «Schwizerdütsch» ist Ausdruck und Symbol dieser sprachlichen und kulturellen Vielfalt.
Mundart und Hochdeutsch sind aber zwei komplett unterschiedliche Sprachen: Trotz Deutschunterricht können sich viele Menschen aus der Romandie in der Deutschschweiz deshalb kaum verständigen. Aus diesem Grund hat der Waadtländer Kantonsrat David Raedler die Kantonsregierung aufgefordert, in der Schule Schweizerdeutsch unterrichten zu lassen. Im Kantonsparlament hat der Grüne ein entsprechendes Postulat eingereicht.
Zusammenhalt über den «Röstigraben» stärken
Im «Echo der Zeit» auf «Radio SRF» erklärt der Rechtsanwalt, der auch an der Universität Bern studiert hat: «Ohne Mundartkenntnisse fühlt man sich in der Deutschschweiz ausgeschlossen.» Die in der Schule erworbenen Hochdeutschkenntnisse reichten im echten Leben nicht mehr aus. Gleichzeitig wolle man nicht, dass die Deutschschweizer Hochdeutsch sprechen müssten, erklärt Raedler.
Ferner betont der Waadtländer in seinem Postulat wirtschaftliche Überlegungen: Gemäss Schätzungen spielten sich in der Schweiz rund 60 Prozent aller Geschäftskontakte in Mundart ab. Raedler ist deshalb überzeugt, dass passive Mundartkenntnisse den Waadtländer Schülern auf dem Arbeitsmarkt helfen würden. Überdies würden diese Sprachkenntnisse auch den Zusammenhalt über den berühmten «Röstigraben» stärken.
Unterstützung aus allen politischen Lagern
Auch SVP-Nationalrat Lukas Reimann setzt sich im Parlament seit Jahren dafür ein, dass der nationale Sprachaustausch gestärkt wird. Letztes Jahr hatte der St. Galler vom Bundesrat beispielsweise verlangt, Sprachaufenthalte innerhalb der Schweiz zu fördern und das Angebot auszubauen. In Reimann findet Raedler einen ungewöhnlichen Verbündeten im Kampf für mehr nationalen Austausch über den «Röstigraben».
Gegenüber Nau.ch erklärt der Jurist: «Ich begrüsse den Vorstoss von David Raedler sehr, er hat damit zu 100 Prozent recht.» Reimann ist überzeugt, dass solche Vorstösse durchaus mehrheitsfähig sind: «Ich denke nicht, dass es grossen Widerstand geben wird.» Wirtschaftliche Interessen und nationaler Zusammenhalt seien elementare Ziele der Schweizer Politik.
Tatsächlich lassen sich Unterstützung und Ablehnung der Bestrebungen nicht an Parteien oder politischen Lagern festmachen. Dies gilt sowohl für Reimanns Postulat auf nationaler Ebene, als auch für Raedlers Postulat im Kantonsrat. Es zeigt sich auch daran, dass gerade diese zwei Männer im Grunde für dasselbe Anliegen kämpfen: Dies, obwohl Raedler aus der Romandie stammt und für die Grünen politisiert, während Reimann die Ostschweiz vertritt und SVP-Mitglied ist.
Lukas Reimann: «Danke nach Lausanne!»
Bis Waadtländer in der Schule ihre passiven Mundartkenntnisse verbessern können, dürfte es in jedem Fall noch eine Weile dauern. Mit Raedlers Postulat gerät der Stein aber ins Rollen. Auch auf nationaler Ebene kommt Schwung in die Angelegenheit: Im Rahmen der Kulturbotschaft 2025-2028 will der Bundesrat die nächsten Meilensteine erläutern, um den nationalen Austausch zu stärken.
Dass ernsthafte Bestrebungen beidseits der Saane und aus mehreren politischen Lagern kämen, stärke das Anliegen auch auf Bundesebene, erklärt Reimann: «Es bringt nichts, wenn nur Romands oder nur Deutschschweizer ihre Sprachkenntnisse verbessern und der andere Landesteil nicht interessiert ist. Daher ein Danke nach Lausanne!»